08/10/2023
Der Ehrgeiz beim Reiten.
Er steht den Reitern und ihren Pferden leider oft im Weg. Natürlich sollte man danach streben, immer besser zu werden und das gegenseitige Messen, der Wettbewerb können dabei durchaus auch gutes Reiten fördern. Schon kleine Kinder haben oft auch Spaß daran, sich und das Pferd herauszuputzen und „wie die Großen“ an Turnieren teilzunehmen. Das fördert das Selbstbewusstsein, ist aufregend und erhöht die Aufmerksamkeit, die man bekommt, bis hin zu Beiträgen in sozialen Medien. Stellt sich dann noch Erfolg ein, so sind das Kind und natürlich auch die Eltern besonders stolz. Bleibt dann aber bei der nächsten Prüfung der Erfolg aus, ist die Enttäuschung groß. Und HIER setzt dann die Charakterschulung des Reiters an. Es ist nicht so einfach, dann nicht die „Schuld“ bei anderen zu suchen. Beim Richter, bei den Umständen, bei den Mitreitern oder gar beim Pferd. Kinder müssen früh lernen, dass sowohl sie selbst als auch die Pferde nicht jeden Tag gleich gut drauf sind und nicht jeden Tag gleich erfolgreich. Es sind Lebewesen, die auch mal erschrecken oder etwas ansehen wollen. Gerade der Umgang mit Enttäuschungen will gelernt sein. Dennoch liebevoll das Pferd zu versorgen, hinzunehmen, wie es nun einmal ist, auch mal (meist vermeintliche) Ungerechtigkeiten herunterzuschlucken. Es bringt auch wenig, schon von Beginn an an der Perfektion zu feilen. Für Kinder sollte vor allem der Spaß im Vordergrund stehen.
Und dann kommen wir zum Erwachsenen. So ganz ohne Ehrgeiz, ganz ohne Antrieb, sich verbessern zu wollen geht es auch nicht. Wir sind es den Pferden schuldig, uns fortzubilden, praktisch und theoretisch, um die Pferde auch gesund erhalten zu können. Ganz unabhängig von Turniererfolgen. Möchte man letztere unbedingt erreichen, gehört dazu viel Disziplin, Arbeit, Wissen und Können und ein Pferd, das auch das leisten kann, was ich mir erhoffe. Mit einem Pferd, das schon früh Taktprobleme im Schritt hat oder das überhaupt nicht galopptalentiert ist, wird es schwer bis unmöglich hoch erfolgreich zu sein. Hier kann Ehrgeiz auch schnell zu Ungerechtigkeit dem Pferd gegenüber führen.
Es nutzt aber auch nichts, einen hoch bewegungsstarken „Kracher“ zu kaufen, wenn man diesen weder sitzen noch bedienen kann. Ist man bisher nur VW gefahren, wird man beim Umstieg auf einen Ferrari auch eher im Graben landen.
„Schon immer“ brauchte man vor allem zum Dressurreiten einen gewissen „Langmut“. Einen Namen musste man sich auch schon vor 40 Jahren erst einmal erarbeiten und verdienen. Da war das im Springen vermeintlich einfacher, entweder die Stange fiel oder blieb liegen. Aber auch im Springen gab es immer schon ein zu viel an Ehrgeiz. Verweigerte ein Pferd zunehmend, wurde ein anderer starker Reiter draufgesetzt und es wurde „korrigiert“. Selten wurde nach den Ursachen geforscht. Um die Springpferde gefügiger zu machen, wurden schon in den 70er Jahren Schlaufzügel eingesetzt.
Ebenso in der Dressur, beginnt oder begann ein Pferd, sich zu widersetzen, dann wurde sich durchgesetzt und nicht nachgefragt, warum. Alles eine Frage des Ehrgeizes.
Und dann kauft man sich ein junges Pferd, ohne gelernt zu haben, wie man junge Pferde ausbildet und man hat den Ehrgeiz, das allein zu schaffen. Auch das funktioniert so gut wie nie.
Oder es werden „ausgemusterte“ weil unreitbare Pferde billig gekauft und dann kommt der Ehrgeiz auf, sie doch reiten (und retten) zu wollen. Auch das ist meist hoch problematisch.
Es ist schwierig und Ehrgeiz im Sinne von: „Besser werden wollen“ ist wichtig, darf aber nicht auf Kosten der Pferde gehen. Den Pferden ist es meist völlig schnuppe, welche Wertnote sie bekommen ;-) . Ihnen ist wichtig, sich wohl zu fühlen, gefordert, aber nicht überfordert zu werden.
Ein wirklich schwieriges Thema, aber es anzusprechen ist eben auch
im Sinne der Pferde
Dagmar Ciolek
(p.s. Bitte keinen "Jammerpost" aus dem Beitrag machen)