19/12/2022
Die Gesundheit der Pferde.
Bewegt man sich durch Facebookgruppen und durch die Reitställe, könnte man meinen, dass es fast nur noch kranke Pferde gibt. Pferde mit Lahmheiten werden geritten, über diskrete Lahmheiten wird fast immer hinweggeritten oder hinweggearbeitet. Wir sehen Pferde mit Hufrehe, Huffäule, Hauterkrankungen, Hufkrebs, Magengeschwüren, Sehnenschäden, Arthrosen, Gelenksentzündungen, Cushing, Adipositas, Allergien, Muskelerkrankungen, Malformationen der Wirbelsäule und frühzeitigen Arthrosen, Kissing Spines, Wirbelsäulenerkrankungen, Borreliose, Ataxien, Bornaviruserkrankung usw. .
Dabei haben sich die Haltungsbedingungen der Pferde in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Was sich aber auch verbessert hat, sind die Möglichkeiten der Diagnostik.
Was hat sich denn verschlechtert? Es wird bei der Zucht weniger der Fokus auf Belastbarkeit und ein solides Fundament ohne Fehlstellungen gelegt, sondern mehr auf spektakuläre Bewegungen (insbesondere bei den potentiellen Dressurpferden). Hier ist die Zucht seit Jahrzehnten den Anforderungen und Anfragen der potentiellen Besitzer gefolgt.
Schon vor über hundert Jahren war aber bekannt, dass die Verschleissgefahr mit den spektakulären Bewegungen erheblich steigt, erst recht, wenn die Pferde nicht reell geritten werden.
Was sich noch verschlechtert hat sind vielfach die Fütterungsbedingungen, viele viele Pferde sind zu fett und das ist ein erheblicher Risikofaktor!
Was sich ebenfalls m.E. verschlechtert hat, ist die Qualität der Grundausbildung von Pferd und Reiter. Hier wird sich bei beiden viel zu oft zu wenig Zeit gelassen und zu wenig Sorgfalt an den Tag gelegt.
Und Pferdeverstand scheint langsam aber sicher auszusterben. Der Blick fürs Pferd, er muss wieder neu geschult werden. Es muss wieder mehr Wissen und Können vermittelt werden. Wir versuchen dies zumindest in den Gruppen und alle Ausbilder unserer Gruppen geben auch live ihr Bestes.
DAS vollkommen gesunde Pferd mit einem harmonischen Exterieur auf einem soliden Fundament gibt es selten, gab es selten. Einzelne Schwachstellen können über andere Stärken ausgeglichen werden. Auch reiterliches Können und Sachverstand kann Schwachstellen ausgleichen und die Pferde sogar gesunder erhalten als ohne fachgerechte Arbeit.
Kommen aber mehrere Schwachstellen zusammen, dann wird es viel viel schwieriger. Die können manchmal noch ausgeglichen werden, aber je mehr Schwachstellen um so wichtiger ist ein hervorragendes „Gesundheitsmanagement“ und ein noch besseres Reiten. „Weiche“ Schwachstellen wie eine ungünstige bewegungsarme Haltung, Übergewicht und schwaches oder gar schlechtes Reiten oder auch ein unpassender Sattel oder eine nicht optimale Hufbearbeitung kann man sich bei diesen Pferde einfach nicht mehr erlauben. All diese Dinge müssen optimiert werden, wenn ein Pferd mit mehreren Schwachstellen reitbar sein und bleiben soll. Eigentlich haben ALLE Pferde ein Recht auf die Optimierung dieser Bedingungen, grad in einer so reichen Gesellschaft wie der unsrigen. Wir sind nun einmal eines der reichsten Länder der Erde.
Schon beim Pferdekauf sollte man sich die Pferde und ihre Papiere ganz genau anschauen und nicht nur nach Farbe, Rasse, Geschlecht und Strampeltrab, schöner Mähne und „Verliebtheit“ auswählen. Sondern danach, wie sie auf den Beinen stehen, wie sie aufgewachsen sind, ob sie klar im Kopf sind und wie aufwändig sie sich bewegen und, ob man einem solchen Pferd auch gewachsen ist und indem man auch darauf achtet, ob Inzucht im Papier erkennbar ist. Und man sollte vor dem Kauf über eine ausführliche AKU die Schwachstellen zumindest erkennen! Schaut im Pedigree nach Inzucht, sie ist ein erheblicher Risikofaktor für die Entwicklung von Erbkrankheiten und eben auch das Vererben nicht nur von Stärken sondern eben auch von Schwachstellen.
Schaut eher danach, ob ein Soldat ein solches Pferd ausgewählt hätte, um mit ihm in den Krieg ziehen zu müssen. (Für mich als Pazifistin ein sehr schwer fallender Vergleich). Schaut Euch die Hufe an, die Sattellage, ist der Rücken besattelbar, wenn ich einen 18,5 Zoll Sattel brauche?
Und man muss bereit sein, in die Gesundheit seines Pferde Geld zu investieren, je mehr Schwachstellen es hat.
Viele Züchter werden ihre Zucht erst umstellen, wenn mit den „Lampenaustretern“ nicht mehr so viel Geld verdient werden kann. Viele Züchter achten aber auch auf die Vererbung von „Haltbarkeit“. Sprecht mit dem Züchter Eurer Wahl! Geht mit den sehr rittigen und hoch talentierten Pferde in den ersten Lebensjahren vorsichtig um. Verlangt weder frühe Versammlung, noch früh sehr exaltierte Bewegungen. Arbeitet sie vielseitig und moderat auf unterschiedlichen Böden! Nehmt nicht alles an, was sie anbieten, aber schont sie auch nicht kaputt.
Und vor allem: nur möglichst gesunde Pferde sollten in die Zucht aufgenommen werden und dort auch bleiben dürfen.
Es kann halt nicht funktionieren, wenn man die früh berentete oder von Haus aus unreitbare Stute mit einem jungen Modehengst verpaart, der vielleicht schon selbst gesundheitliche Probleme entwickelt hat.
Hier sollte die Überprüfung der Hengste und ihres Gesundheitszustandes auch nach der Körung weitergehen und kranke Stuten und Hengste von der Zucht ausgenommen werden.
Und ganz wichtig: lernt Reiten! Das ist dann auch
im Sinne aller Pferde
Eure Dagmar Ciolek
