19/08/2024
Pferde – Pferdehaltung – Pferdesport – Pferdenutzung
QUO VADIS?
Nicht unbegründet mehren sich die Stimmen, die die Pferdehaltung und die Nutzung des Pferdes an sich deutlich hinterfragen.
Im Netz finden sich vermehrt Bilder und Videos von ausgenutzten und misshandelten Pferden, die dem Ehrgeiz von Profis als auch von Nachahmern derer Praktiken zum Opfer fallen.
Wir haben uns daher intensiv mit der Frage nach dem „Quo vadis“ auseinander gesetzt und zunächst für uns die wichtige erste Frage gestellt:
„Ist Pferdehaltung generell zu verantworten?“
Wir kamen zu 2 Prämissen.
1. Nein – ein Pferd sollte selbstbestimmt und rein im naturgegebenen Umfeld leben.
2. Ja – um dem Pferd innerhalb der gegebenen strukturellen Möglichkeiten ein angepasst möglichst artgerechtes Umfeld zu ermöglichen.
2.1 Ja – um dem Pferd als wichtiges Kulturerbe eine Daseins-Grundlage zu erhalten.
Aus der 2. Prämisse ergibt sich, dass wir unmittelbar verantwortlich sind!
Verantwortlich dafür, dass dem Pferd in unserer Obhut (ohne vernünftigen Grund) weder Schmerzen, Leiden noch Schäden zugefügt werden (§1 TschG).
Mit einer Haltung, die dafür Sorge trägt, dass aus ihr heraus, eben „nicht nur“ weder Schmerzen, Leiden noch Schäden entstehen, sondern dem Wesen des Pferdes mit seinen – auch individuellen - Bedarfen so nahe wie möglich entspricht.
Ferner ergibt sich aus dieser Verantwortung auch, dass wir - im Gegensatz zur Prämisse 1 - bei einer Haltung für die komplette Versorgung einzutreten haben, ebenso wie für die speziellen Bedarfe der unter unserer Obhut immer älter werden Pferde einzustehen.
Betrachtet man jedoch die Zahl der Pferde, die bei erhöhten medizinischen Anforderungen oder eben den speziellen Bedarfe von Pferden im Ruhestand, als Beisteller oder auch „bedingt reitbar“ angeboten werden, ist hier diese Verantwortung nicht immer sichtbar.
Was bedingt eine Haltung - was bedeutet „artgerecht“?
1. Das Pferd als soziales Wesen benötigt in erster Linie Kontakt zu seinesgleichen. Und dieses in einer langfristigen und beständigen Form, um nachhaltige Freundschaften zu schließen und die positive Hierarchiestruktur, mit der darin begründeten Sicherheit zu erhalten.
2. Als Tier mit einem hohen Bewegungsbedarf, muss sich das Pferd entsprechend möglichst frei bewegen dürfen. Offenstall oder auch Paddockboxen und Paddockangebote ermöglichen dabei ein Mindestmaß außerhalb der Weidesaison. Das Angebot von Weide (Magerweide) gehört zu einer artgerechten Haltung zwangsläufig zwingend dazu. Alternativen, wie z.B. Führanlagen decken zwar den grundsätzlichen Bewegungsbedarf, jedoch entspricht die dort vorgegebene Zeit und das Tempo nicht dem naturgegebenem Bewegungsbedarf und darf allenfalls als "zusätzliches“ Angebot zu verstehen sein.
3. Das Pferd verbringt in „freier Wildbahn“ bis zu 18 Std. mit der Futtersuche und ist dabei s.o. in ständiger Bewegung. Eine artgerechte Fütterung sollte daher ein entsprechendes Raufutterangebot berücksichtigen. Dieses kann durch z.B. eine ad libitum Fütterung abgedeckt werden. Doch auch wenn das Pferd von Natur aus ein Dauerfresser ist, kann eine uneingeschränkte Futteraufnahme ohne jedwede Pausen/Beschäftigung/Bewegung insbesondere bei sehr leichtfuttrigen Pferderassen zu Übergewicht mit den entsprechenden Folgen ( u.a. EMS ) führen.
Artgerecht muss sich bezüglich der Fütterung daher an verschiedenen und sehr individuellen Faktoren orientieren.
Ist Pferdesport/-nutzung zu verantworten?
Auch bei dieser Frage kamen wir zu zwei Prämissen:
1. Nein – ein Tier sollte in keiner Weise zu sportlichen noch anderen Zwecken genutzt werden. Das Pferd soll selbstbestimmt und ohne „Nutztier“ zu sein, leben.
2. Ja – dem Pferd in unserer Obhut gefällt eine (gemeinsame) Beschäftigung und Ja – das Pferd in unserer Obhut benötigt eine Form von Ausbildung und artgerechter Beschäftigung.
Grund für die 2. Prämisse ist das Erleben des dem Menschen zugewandten Wesens Pferd.
Seit über 4.000 Jahren domestiziert, lebt das Pferd in enger Verbindung mit dem Menschen.
Zunächst fraglos rein als „Nutztier“ – dennoch durch Zucht/Selektion, auch eben durch den Faktor des „Zugewandt-seins“ und der „Leistungsbereitschaft“ über Jahrtausende zu dem zu werden, was wir heute als „Partner Pferd“ oder immer noch als „Nutztier Pferd“ finden können.
Letzteres durch Macht und Gewalt sich zu „nutzen“ gemacht oder eben als Partner.
„Was darf also die Ausbildung beinhalten?“
Zunächst muss die Ausbildung beinhalten, dass bei einem „gehaltenem Pferd“, weder das Tier noch die haltende Person kurz noch langfristig gefährdet wird oder zu Schaden kommt. Somit bedingt eine Grundausbildung die Halfterführigkeit, das Zulassen von Fell- und Hufpflege und eine Gewährleistung der Vorstellung bei Schmied- und Tierarzt.
Alles weitere umfasst die verschiedenen Aspekte von Ausbildung und Beschäftigung/Auslastung.
Ein unterbeschäftigtes Pferd (eben insbesondere jene, die durch Zucht/Selektion über eine erhöhten Leistungsbereitschaft verfügen) neigt dazu „Unarten“ auszubilden, so zum einem z.B. Aggressionen als auch zum anderem stereotype Verhaltensweisen.
Bei einem gehaltenem Pferd, bedingt dieses, dass wir somit nicht nur für eine Grundausbildung Sorge tragen müssen, sondern innerhalb der – auch individuell unterschiedlichen – (An)forderungen des Pferdes gerecht werden müssen.
Ein Pferd, das durch Zucht und entsprechende Selektion ein eher schweres Zugpferd ist, kann durchaus auch Freude an angepasster Arbeit unter dem Sattel haben – nie jedoch wird es naturgegeben ein Springpferd sein. Ebenso wenig wird aus einem Araber ein Rückepferd.
Dennoch eben genau aus dem Grund, dass Pferden Bewegung und Anreize dazu auch naturgegeben sind, sie entsprechend auch sehr lernfähig und -wilig, neugierig und eben auch dem Menschen zugewandt sind, dürfen wir Pferde innerhalb ihren Ambitionen und Fähigkeiten fördern – sprich „ausbilden“.
Um einmal in einen anderen Tierbereich zu wechseln, um diesen Gedankengang zu verdeutlichen: Einem Jagdhund, tut man keinen Gefallen damit, ihn zu einem Gartenhund zu machen – egal wie groß der Garten ist. ER möchte jagen. Dies muss nun nicht zwangsläufig in der aktiven Jagd auf lebende Beute ausgelebt werden, aber dazu gibt es z.B. Fährtenarbeit etc. … Mit dem entsprechenden Erfolg und auch dem Lob durch seinen Menschen, sich besser fühlt, als als reiner Gartenhund, selbst wenn er den Garten mit Artgenossen teilt.
Was wir damit ausdrücken wollen, ist, dass ein Tier, das dem Menschen so zugewandt ist, mit soviel Neugierde und Lernwillen ausgestattet ist, es verdient hat, auch gefördert und beachtet zu werden.
Der pure Wettbewerb um Schleifen und Medaillen, auf den Rücken von Pferden ausgetragen, gehört nicht dazu!
Wir kommen daher zu folgendem Schluss:
Ja, es ist zu verantworten Pferde zu halten und sie auszubilden, wenn dieses verantwortungsvoll und mit Respekt vor diesem wunderbaren Tier geschieht!
Einem Tier, das uns in Kraft und Größe so überlegen ist, dass wir ihm - ohne Hilfsmittel - jederzeit unterlegen wären, wenn es uns nicht so zugewandt wäre.
Jan und Nicole Zimmer
Hof Zimmer – Reitschule Zimmer