16/10/2024
WERFEN - HOLEN - BRINGEN
Sinnvoll oder No-Go?
Viele Menschen denken bei Spiel mit Hunden oft als erstes ans Bällchen- oder ähnliches Wurfspiel. Aber diese Werfen-Holen-Bringen-Spiele bringen so einige Nachteile mit sich.
Zum einen werden beim monotonen Wurfspiel die Hetzelemente aus dem Jagdverhalten herausgegriffen und immer und immer wieder eingeübt. Hunde sind Sichtjäger und alle bewegten Objekte lösen bei ihnen ganz automatisch und reflexartig ein Jagdverhalten, in diesem Fall das Verfolgen, aus. Bei der Jagd wird im Raubtier stets eine starke Körperreaktion ausgelöst. Soll die Jagd erfolgreich sein, müssen alle Sinne geschärft und der Körper in höchste Leistungsbereitschaft gesetzt werden. Um diesen Zustand zu erreichen, wird der Körper von Stresshormonen (erst Adrenalin und dann Cortisol) überflutet. Diese Hormone brauchen eine ganze Zeit bis wieder sie abgebaut werden (Adrenalin einige Stunden, Cortisol sogar Tage bis hin zu Wochen). Werden sie nicht abgebaut, dann häufen sie sich immer weiter im Körper an. Besonders für Hunde mit Erregungsproblemen Gift, aber sicher für alle Hunde zumindest in höherem Maße nicht gut.
Bei jedem geworfenen Gegenstand kommt es auch zur Ausschüttung von Dopamin, das Belohnungshormon, welches süchtig machen kann. Nur über diesen Mechanismus konnte das Jagen beim Wolf, das ja in 4 von 5 Fällen nicht zum direkten Ergebnis, sprich Beute, geführt hat, als Verhaltensstrategie beibehalten werden – der Wolf ( bzw. Hund) macht es auch, wenn kein Erfolg, sprich Beute, winkt, weil er allein beim Hetzen eine Belohnungshormonausschüttung erhält. So mancher Hund mutiert dadurch regelrecht zum Ju**ie - wenn sein Mensch das Wurfobjekt einsteckt, interessiert nichts anderes mehr, auch nicht der Besitzer, der ist dann nur noch „Dealer“ des „Suchtstoffes“. Besonders in der Pubertät sind Hunde ( wie auch Menschen) besonders anfällig für die Entwicklung von Süchten. In diesem Alter ist der Bewegungsdrang beim Hund meist besonders hoch und viele unwissende Besitzer erliegen der Versuchung, diesen Bewegungshunger mit Wurfspielen zu befriedigen.
Beim Wurfspiel findet der Spaß für den Hund zudem immer weit entfernt vom Menschen statt. Ziemlich anonym, das hat nichts mehr zu tun mit bindungsfördernder Beschäftigung.
Zudem wird ein Hund mit jagdlicher Tendenz so geradezu zum Jäger erzogen; wenn man Pech hat, generalisiert der Hund dieses Hinterherhetzen hinter bewegten Objekten zudem auf alle möglichen Dinge, von Wild über die Nachbarskatze bis hin zu Radlern, Joggern, Autos. Hierfür sind besonders wieder Hütehunde empfänglich. Dann wird es richtig gefährlich.
Dann haben wir noch die körperliche Belastung durch das Wurfspiel, vor allem die ständigen abrupten Stopps vor dem Objekt. Besonders bei Hunden im Wachstum belastet das Bänder, Gelenke und Sehnen in einer unnatürlichen Weise, auch schwere Hunde sind hierfür nicht gemacht; im schlimmsten Fall kann es zu Schäden kommen, die sich erst Jahre später bemerkbar machen.
Werfen muss aber nicht völlig aus dem Alltag verschwinden. Wenn durch Erziehung eine erste Impulskontrolle etabliert ist, darf, in abwechslungsreiche Spielsequenzen verpackt, auch Werfen und Bringen zwischendrin mal vorkommen, aber eben nicht als Hauptbeschäftigung. Mit kontrolliertem Werfen (Hund muss vor dem Bringen Kommandos befolgen, warten, sich beherrschen und zurücknehmen), kann man Impulskontrolle auch sehr gut trainieren. Man muss nur wissen, wie man es richtig macht. Die klassische Dummyarbeit zeigt dies.
Sehr schön und abwechslungsreich einsetzbar ist auch die Arbeit mit dem Futterbeutel, der wenig geworfen, mehr versteckt und vom Hund dann gesucht und gebracht wird. Hierüber kann man das Apportieren auch sehr gut aufbauen.
Echtes Objektspiel, das gekennzeichnet ist durch einen ständigen Wechsel von Verhaltensweisen, die im hundlichen Alltag ebenfalls vorkommen, ist für die meisten Hunde sehr empfehlenswert. Beißen, Zerren, Suchen, Hinterherrennen, Verfolgtwerden, mit der Beute Davonlaufen, Balgen, Rangeln, ein ständiger Rollenwechsel, auch zärtlicher Körperkontakt.
Ein Spiel also, wie es auch unter Hunden beobachtet werden kann und welches Hunde oft auch mal allein spielen. Selbstverständlich kann auch ohne Objekt, nur unter Einsatz des eigenen Körpers gespielt werden und es ist durchaus hilfreich, das immer wieder mal zu tun, erfahrungsgemäß tun sich hiermit viele Menschen ziemlich schwer.
© Angelika Prinz; Rundumhund-Ostalb
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