27/05/2022
Selbstbestimmung im Pferdeleben... ein wichtiges Thema, das unserer Meinung enorm zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Pferden in ihrer Freizeit so viel Entscheidungsfreiraum wie möglich zu lassen. Das fängt mit der Frage an, ob sie im Stall oder draußen stehen möchten. Ob sie den langen Weg mit Knabberästen oder den kurzen ohne gehen möchten. Ob sie sich an der Bürste kratzen möchten, oder lieber am Baum. Welchen Mineralstein sie gerade brauchen, ob sie durch das Wasser gehen wollen, oder lieber außen herum. Mit wem sie gern an der Raufe stehen.... Das sind alles Kleinigkeiten, doch in Summe ermöglichen sie den Pferden, so oft wie möglich nach ihren individuellen Bedürfnissen zu entscheiden.
Was macht das Leben lebenswert? Ganz ernst gemeinte Frage. Bestimmt sind die Antworten sehr individuell, auch die Gewichtungen, aber mit Sicherheit hat Selbstbestimmung einen großen Anteil daran. Oder die Möglichkeit, die eigenen Bedürfnisse auszuleben.
In meiner Wahrnehmung sind Pferde diejenigen unserer tierischen Partner, deren Selbstbestimmung im allgemeinen am stärksten eingeschränkt ist.
Wir entscheiden, wo und wie sie leben. Mit welchen Pferden sie zusammen sind. Wann sie umziehen. Wann sie Zeit mit uns verbringen, egal, ob in der Herde vielleicht Schlafen oder Spielen angesagt ist. Wir erwarten, dass sie nicht zu wild sind, wenn wir mit ihnen arbeiten, egal, ob sich durch Boxenhaltung oder Ärger in der Herde vielleicht Energie aufgestaut hat. Wir bestimmen, ob und wann sie im Stall stehen und wann draußen, egal ob es gerade von Mücken wimmelt oder windig ist. Wir bestimmen, ob sie Decken tragen, mit wem sie auf dem Paddock stehen, wer der Boxennachbar ist, welches Futter sie fressen...
Ja, kann man jetzt sagen, so ist das eben... Das ist der Alltag.
Stimmt und gerade deshalb ist es so wichtig, in diesem Alltag immer wieder Entscheidungsmöglichkeiten einzubauen. Das hat natürlich auch immer etwas damit zu tun, dass ich Kontrolle abgeben darf. Verständlicherweise macht das oft Angst. Die Idee von Kontrolle und Sicherheit sind sehr eng miteinander verknüpft. Natürlich ist Sicherheit im Umgang mit Pferden ( und Menschen, by the way) wichtig. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auf Vorschläge, die mein Pferd macht, eingehen kann. Und bedeutet auch nicht automatisch, dass ich jedem Vorschlag zustimmen muss, ich kann ihn aber zur Kenntnis nehmen als das was er ist: Einem Ausdruck von Bedürfnis. Nicht als einen Versuch, die Macht an sich zu reißen.
Eine Zeit lang war von "learned helplessness" zu lesen. Ich würde mir wünschen, dass wir uns weiter mit diesem Thema beschäftigen und es unseren Pferden ermöglichen, mehr Selbstbestimmung in ihrem Leben zu erhalten. Ich versuche das im Alltag mit meinen Pferden umzsetzen, indem ich bereit bin, meine Pläne zu ändern und Angebote der Pferde anzunehmen und etwas daraus zu entwickeln. Die Herausforderung dabei ist, ein Stück Kontrolle loszulassen, das Geschenk das ich dafür bekomme, sind individuelle Pfedepersönlichkeiten.