17/02/2018
Der Alphawurf
Was ist eigentlich der Alphawurf?
Bei dieser Korrektur-Methode wird der Hund zur Strafe durch den Menschen so auf den Boden geworfen, dass der Hund seitlich liegt. Dabei wird praktisch zeitgleich mit den Händen oder Unterarmen die Kehle festgehalten und der Hund mit Gewalt so lange auf den Boden gedrückt, bis dieser still hält. Dies kann, je nach Größe und Gegenwehr des Hundes, auch mit massivem Körpereinsatz des Menschen von statten gehen.
Ziel dieser Korrektur des Hundes ist es, dass der Hund lernen soll, dass der Mensch die Alphastellung innehat und der Hund sich zu unterwerfen hat. Eingesetzt wird der Alphawurf somit zur Korrektur von Fehlern, die der Hund aus Menschensicht macht.
Warum funktioniert diese Methode scheinbar nach einer gewissen Zeit?
Der Hund wird wohl irgendwann solche Situationen, in denen er mit dem Alphawurf gemaßregelt bzw. korrigiert wurde vermeiden. Dies aber nicht, weil er dabei etwas Sinnvolles gelernt hat, sondern weil er Angst vor den Folgen hat.
Aber warum wird diese Methode dann immer noch von sogenannten Spezialisten empfohlen und von Haltern angewandt?
Hier wurde und wird ein Verhalten fehl interpretiert. Angeblich unterwirft ein Alpha im Rudel so, wenn eines der Rudelmitglieder Fehlverhalten zeigt. Diese Ansicht ist falsch und zudem völlig veraltet. Die Unterwerfung findet nur in der Form statt, dass sich das rangniedere Rudelmitglied freiwillig unterwirft und so ein Angebot zur Konfliktvermeidung macht. Dieses Angebot kann vom ranghöheren Rudelmitglied angenommen aber auch abgelehnt werden. Das kann man im Übrigen sogar manchmal bei der Interaktion von zwei Hunden beobachten. Der, der sich unterworfen hat wird trotzdem attackiert. Das Angebot ist also keine Garantie zur Vermeidung eines Kampfes. Eine aktive Unterwerfung von einem ranghöheren Rudelmitglied gibt es also nicht. Unterwerfung erfolgt immer nur von unten nach oben und dies freiwillig.
Wenn ein Hund oder Wolf einen anderen auf den Rücken wirft, ihm gar (seitlich) in die Kehle beißt, dann bedeutet dies Kampf und in möglicher Folge den Tod des Unterworfenen oder Unterlegenen.
Was denkt dann aber mein Hund, wenn ich ihn auf den Rücken werfe?
Diese Frage ist wohl wirklich einfach zu beantworten. Hier geht es um Leben oder Tod. Der Hund fürchtet bei dieser Maßregelung um sein Leben und steht unter Stress. Man kann sich also durchaus vorstellen, was passieren kann, wenn der Halter die Gewalt über seinen Hund in solchen Situationen verliert. Der Hund hat nur die Möglichkeit „Kampf oder Flucht“. Die Flucht wird ihm verwehrt, also bleibt nur der Kampf übrig. Behält der Halter die Oberhand, wird der Hund wahrscheinlich irgendwann aufgeben, sich nicht mehr mit seinen vorhandenen Möglichkeiten gegen seinen Halter wehren und der Halter wiederum glaubt, er hätte sein Ziel ereicht. Sein Hund macht nun, was er will. Dieser Schuss kann aber gewaltig nach hinten losgehen.
Dann ist der Alphawurf ja gar keine artgerechte Bestrafung?
Das Wort Bestrafung in jedweder Form gehört aus meiner Sicht völlig aus dem Wortschatz der Hundeerziehung gestrichen. Beim Alphawurf handelt es sich um Gewalt gegenüber einem Individuum, das genauso Schmerzen und Stress empfinden kann wie wir. Das wirklich Dumme dabei aber ist, dass der Hund über Schmerzen und Druck gar nicht in der Lage ist, etwas zu lernen.
Zudem kann, je nach Situation und Durchführung des Alphawurfes durch den Hundehalter oder Hundeführer, auch eine Tierschutzrelevanz entstehen.
Wie wirkt sich so eine gewaltsame Methode dann auf das Zusammenleben aus?
Der Halter wird für den Hund zum unkalkulierbaren Risiko. Ein solcher Halter ist mitnichten souverän und vermittelt dem Hund in keinster Weise, dass er in der Lage ist, Gefahren zu regeln, Sicherheit zu bieten und für den Schutz des Rudels zu sorgen. Der Hund kann sich auf so einen Halter, der solche Maßnahmen einsetzt, nicht verlassen. Das Vertrauensverhältnis wird massiv gestört.
Ok, aber was kann ich dann tun, damit mein Hund funktioniert?
Die Frage muss anders gestellt werden. Was muss ich als Mensch tun, damit mein Hund (aus meiner Sicht) keinen Fehler macht?
Hier ein ganz aktuelles Beispiel: Leider musste ich gestern genau diese Bestrafung, nämlich den Alphawurf, mit ansehen. Der Hund kam seiner Aufgabe, die ihm im Übrigen der Mensch bereitwillig überlassen hat nach. Er hat sein Territorium vor „Feinden“ verteidigt und angeschlagen. Heißt, er lief bellend über das eingezäunte große Gelände, weil andere Hunde mit deren Menschen am Zaun unterwegs waren. Leider wurde er dafür dann kurz darauf vom Menschen mit dem Alphawurf bestraft. Hier hat der Hund aus seiner Sicht völlig richtig gehandelt. Der Mensch hat ihm schließlich überlassen, sein Territorium zu verteidigen. Der Mensch hat ihm nicht gezeigt, dass Anschlagen und vor möglicher Gefahr warnen in Ordnung ist, um dann die Situation zu übernehmen. Der Hund wurde somit völlig zu Unrecht mit einem absolut nicht akzeptablen Verhalten des Menschen bestraft.
Eine andere Methode der Sorte „inakzeptable Bestrafung“ ist im Übrigen das Nackenschütteln. In der Natur wird die Beute zum Töten geschüttelt. Toll für den Hund, oder?
Fazit:
Ein Hund kann unter Strafe, Schmerzen und Gewalt sowie Zwang nicht lernen. Das können wir Menschen auch nicht. Ein souveräner Hundeführer wird einem vierbeinigen Rudelmitglied immer einen gewaltfreien Weg bieten, freiwillig und gerne zu lernen und für die Sicherheit und das stressfreie Zusammenleben mit seinem Hund sorgen. Er wird keine Fehler korrigieren sondern dem Hund eine Möglichkeit bieten, erst gar keine zu machen.
PS: Wir brauchen ein Umdenken in der Hundeerziehung! Bitte schaut auch Ihr nicht weg, wenn es darum geht, Missstände anzusprechen.
©Simone Baars / Januar 2017
Foto: Fotolia/Wolf Puppy showing dominance to his brother © Marco Rimol