09/09/2020
Taco der Mörder - wahre Geschichten aus der Tierschutz-Hundewelt (eine Rarität)
Es war ein ganz normaler Morgen.
Ich stand mit Zahnbürste im Mund im Bad und lies meine unendlich vielen Gedanken durch meinen Kopf kreisen, während die daraus resultierende To Do Liste sich in eine unendliche Länge zog.
Auf das Handy schielend sah ich eine Nachricht aus Hellhoundhausen.
Up to no good.
Ich ahnte worum es geht und griff entschlossen zum Handy.
Es war ein Screenshot einer Nachricht mit etwaigem Inhalt: der Hund soll jetzt noch ein paar schöne Stunden kriegen und dann sterben, wenn es keine anderweitige Lösung gibt.
Die Besitzer wissen nicht mehr weiter und nun bleibt plötzlich nur noch ein Tag Zeit.
Kind oder Hund, es stand ein kleiner Mensch und das Leben eines Hundes auf dem Spiel.
‚Hast du ne‘ Idee?‘, fragte Nessy.
Das Jugendamt wollte, dass der Hund eingeschläfert wird.
Er hat zwei Hunde getötet in 5 Jahren, ist selbstverständlich eingestuft und nach seinem zweiten aktuellen Todesopfer hat das Amt nun die Schnauze voll. Er biss den Zweithund, der an den Folgen der Bissverletzung starb - darüber sollte man sich kein Urteil erlauben.
Die Besitzer hatten dem Amt bereits mitgeteilt, dass der Hund tot sei. Hiesige und weit entfernte Tierheime wollen den kleinen ‚hau drauf‘ nicht haben - eine verzwickte Lage. Unser täglich‘ Brot.
Weil der Hund auf dem Foto so süß geguckt hat und ich zwar weder einen Plan, noch ne‘ Idee hatte, beschloss ich mir erst mal einen Überblick zu verschaffen. Ideen kommen ja bekanntlich später.
Ich rief die zuständigen Ämter an (Veterinäramt + Ordnungsamt) und erfragte die Fakten.
Das arme Amt versuchte schon seit 3 oder 5 Jahren erfolglos diesen Hund sicherzustellen und wieder ein anderes Amt hat nun verlangt, dass er eingeschläfert werden soll, was für alle beteiligten Ämter ok gewesen wäre.
An dieser Stelle möchte ich darum bitten keine endlos Diskussionen um das arme Hundi, doofe Ämter, böse Besitzer etc. zu entfachen.
Es ist ein Einblick in die Realität, die mir und ein paar Anderen tagtäglich begegnet, die durch meckern und in die falsche Richtung geworfene Steine, nicht besser wird.
Die Geschichte wurde immer komplizierter.
Das eine Amt wollte den Hund sicherstellen, das Andere wartete auf den Totenschein.
Ich bat dem Ordnungsamt einen Platz an:
wenn der Hund sichergestellt ist, dann nehmen wir ihn auf.
Deutschlandweit fragen Ämter an, die nicht mehr wissen wo sie mit den ganzen Sicherstellungen hin sollen - Hunde die Hunde töten sind immer noch ein rotes Tuch für viele Einrichtungen und Heime.
Für Außenstehende Facebooktierschützer klingt es immer so einfach, „Hauptsache retten“, aber leider ist das wahre Leben anders. Wir stehen schon lange vor einem gravierenden Kapazitätenmangel, während die Beißvorfälle und ‚schweren‘ Fälle sich häufen.
Es wäre der fünfte eingestufte Hund seit Beginn des Jahres, der fünfte Hund, in den viel Zeit, Arbeit und Geld fließen würde. Wir waren wie immer voll und gerade noch mit einem Geretteten beschäftigt, der Herzwürmchen aus dem Ausland mitgebracht hat und ungeplant lange einen Einzelplatz belegte.
Leider wollten die Retterhelden irgendwie nichts mit der arschteuren Behandlung zu tun haben und so blieb es wie immer an Anderen hängen, in diesem Fall uns.
Das Amt fand meine Idee gut, die Hundebesitzer nicht. Sie wollten nicht, dass der Hund sichergestellt wird, sie mussten sich sogar Geld für das Benzin leihen, damit sie den Hund zu uns fahren können.
Herz und Hirn standen mittlerweile im Konflikt.
Es wird immer eine Ebene geben, auf der mich die Dinge bis ins kleinste Detail beschäftigen und berühren.
So wütend ich sein kann, so sehr fühle ich auch mit.
Zwischenzeitlich hatte ich bereits einen Ausweichplatz gefunden, da es ein paar Tage zu überbrücken galt.
Zufrieden und angespannt stieg ich ins Auto und fuhr ins Tierheim, um dem Rest der Bande mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht den neusten Stand der Dinge zu verkünden. ‚Oh Elena..‘
Zwei Tage vergingen und am nächsten Morgen sollte der berüchtigte Hund zu uns kommen.
Am Nachmittag vorher klingelte mein Telefon, das Amt war dran. Ihnen fiel auf, dass nach wohlgemerkten fünf Jahren versuchter Sicherstellung, ein Dokument fehlen würde. Das sei irgendwie abgelaufen oder verloren.
Durch eine chaotische schulische Laufbahn identifiziere ich Ausreden sofort - vor Allem schlechte.
No Amt was sicherstellt, no Money - aber dafür viele Kosten die anfallen.
Wie teuer es wirklich werden würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings bloß erahnen.
Die Familie freute sich bereits sehr auf den Platz und war erleichtert.
Nach der Wut auf das am Ende immer keiner die scheiß Verantwortung tragen will, kam die Entscheidung.
Der Hund kommt trotzdem zu uns.
Und so nahmen die Dinge ihren Lauf und einer der niedlichsten Hunde mit Tötungsabsicht gegenüber anderen Hunden, zog bei uns ein. Zu Menschen war und ist er sehr nett, doch wer jetzt an ein einfaches Happy End glaubt, der täuscht sich.
Nach dem ersten Tierarztbesuch, einer Impfung, Wurmkur, Entflohung und Allem, fielen Beulen an seinem Körper auf und extrem schlechte Zähne.
Zuerst kam die Zahn OP, währenddessen wir bereits auf die Ergebnisse der Punktion der Umfangsvermehrungen warteten.
Guter Dinge planten wir einen Termin für den Wesenstest und schon bald hatte er wie durch ein Wunder sogar schon Interessenten.
Was für ein Glückspilz, was für eine gute Geschichte, wären da nicht die Mastzelltumore.
Keiner von uns hat mit der Krebsdiagnose gerechnet, aber wir alle wussten, dass er das schaffen wird.
Wir starteten schnell die Behandlung und Tacos Menschen kümmerten sich darum, die Auflagen zu erfüllen und eine Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes zu erlangen.
Zwei Mal hintereinander kämpften wir um sein Leben.
Zwei Mal haben wir gewonnen.
Weil das hier kein Buch ist, sondern nur ein Einblick, habe ich die Geschichte kurz gefasst.
Das ist nur ein Schicksal von viel zu vielen, eine Geschichte die gut ausging.
Taco ist heute wieder gesund, so gesund wie man eben nach schwerer Krankheit sein kann.
Er ist fit und fröhlich und wird bald ausziehen und in sein neues Leben starten.
In ein Leben das er verdient, mit verantwortungsbewussten Menschen und einer Geschichte im Gepäck, die es sich lohnt zu erzählen.
Ich wünsche mir noch viele schöne Jahre für ihn und beende den Text zwinkernd und mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Manchmal versetzt der Glaube Berge und ein starker Wille sprengt die Ketten.
Manchmal ist das Unmögliche eben doch möglich, man muss eben immer mit Allem rechnen: auch mit dem Schönen.
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*der Hundename wurde von der Redaktion geändert, das Bild dient nur der Aufmerksamkeit und Ilva ist halt super süß!