18/08/2022
“Der legt sich nicht mehr hin…”
Der alte Rentner meiner Freundin leidet an Arthrose, er hat Spat in den Sprunggelenken und legt sich nicht mehr hin. Das Hinlegen und Aufstehen ist einfach zu schmerzhaft und es geht nur noch so langsam, dass er sich auch nicht mehr sicher fühlt dabei als Fluchttier, denn im Notfall würde er ja nicht mehr schnell wegrennen können. Er ist schlapp, lustlos und ist auch schon mal zusammengebrochen - der fehlende Schlaf macht ihm sichtlich zu schaffen, denn ohne hinlegen kein REM-Schlaf und keine vollständige Regeneration!
und nun?
Hier 3 Stellschrauben:
Grunderkrankung therapieren und unterstüzen
Untergrund und Größe der Liegefläche optimieren
Sicherheitsgefühl stärken
Behandlung der Grunderkrankung - denn der REM-Schlafmangel ist am Ende nur ein Begleiterscheinung der Arthrose und diese muss daher in den Fokus gesetzt werden.
Zunächst den Liegeplatz überprüfen, Pferde legen sich gerne auf trockene, weiche-verformbare, rutschfeste und gut riechende Böden ab und brauchen genügend Platz - also alles optimieren in Punkto Einstreu. Gummimatten ohne Einstreu darüber sind hier NICHT die Wahl! Pferde legen sich nämlich nicht überall! Ebenso die Größe der Liegefläche sollte in Augenschein genommen, nach Zeitler-Feicht und Muggenthaler müssen die Angaben der Richtlinien für pferdegerechter Haltung verdoppelt werden, wenn auch alle rangniederen Tiere einer Gruppe ausreichend Platz zum Ruhe haben sollen, denn erst dann liegen rangniedere Tiere auch genauso oft und vor allem so lange wie Ranghöhere.
Das Sicherheitsbedürfnis - Pferde schlafen nur, wenn sie sich als Fluchttiere auch wirklich wohl und sicher fühlen.
a) Haben die Pferde einen Partner/Freund mit im Offenstall oder in der Nachbarbox oder können die sich nicht leiden? Als Herdentier hält einer Wache während die anderen schlafen, fehlt dieser Rückhalt, kann es zu Schlafmangel kommen.
b) Ist die Liegefläche so platziert, dass das Pferd sich sicher fühlt oder haben wir Sackgassen und dunkle Höhlen als Liegeraum?
c) Ständiger Stallwechsel ist für das Gewohnheitstier Pferd sehr anstrengend und führt zu Verunsicherung.
Alles gemacht und trotzdem wird die Tagesschläfrigkeit immer größer, das Pferd bricht dann plötzlich zusammen und wacht beim Aufschlag auf den Boden erst wieder auf und das passiert immer häufiger…
… dann wird es Zeit sich eine schwere Frage zu stellen: Kann ein Pferd dauerhaft mit REM-Schlafmangel wegen Schmerzen leben?
Dazu möchte ich Anna-Caroline Wöhr zitieren (Fachtierärztin für Tierschutz): “Schlafstörungen sind ein Ausdruck von Leiden und haben somit auch eine hohe Tierschutzrelevanz.” (Anna-Caroline Wöhr “Schlafverhalten und Schlafstörungen beim Pferd” Pferdespiegel 2022, 25: 78-91, Thieme)
Daher kann die Antwort Nein lauten und die Euthanasie der nächste Schritt sein - so traurig das ist, dauerhafte Schmerzen und Schlafmangel sind Leiden für das Pferd und nicht auf Dauer tolerierbar.