29/02/2024
Manchmal bin ich so müde.
Ich bin Hundefriseur.
Nächstes Jahr wird mein Salon 10 Jahre alt
und ich liebe meinen Job so unglaublich sehr. Ich durfte durch ihn so viele tolle Hunde und Menschen kennen lernen.
Aber... Ich sehe durch ihn auch so viel Leid. Aber so... Nebenbei. Ich nenne es Alltagsleid.
Hunde, denen bei lebendigem Leib der Kiefer vor lauter Zahnstein weggammelt.
Ohren, die voll sind mit schwarzem Ohrschmalz.
Filz, der den ganzen Körper bedeckt, sodass sie sich nicht einmal mehr richtig bewegen können.
Krallen, die so lang sind, das sie sich um sich selbst drehen.
Tumore in allen Größen, die niemand bemerkt.
Augen, die so verkrustet sind, das das Fleisch darunter offen ist.
Hunde, die so vernachlässigt sind, das Maden ihnen Löcher in die Haut fressen.
Katzen, deren Hintern so zugefilzt ist, das sie nicht mehr ihr Geschäft machen können.
Hunde, die so fett sind, das sie keine fünf Minuten am Stück stehen können.
Alte Hunde, die keine Schmerzmittel bekommen, weil "sind halt alt".
So viele Flöhe auf einem Tier, das KANN man nicht übersehen haben.
Hunde, die in ihrer uralten Unterwolle ersticken.
Tiere, die so schlecht gezüchtet sind, das sie so wesensschwach sind, das die Welt für sie ein einziger schlimmer Ort ist.
Besitzer denen es zu teuer oder umständlich ist, zu einem Fachtierarzt zu gehen oder zu einem guten Trainer. Oder eben zum Hundefriseur.
Besitzer, die nicht bereit sind, regelmäßig zu bürsten, Zähne zu putzen, Krallen zu schneiden.
Und... Etliche Hunde, die auf die Pflege angewiesen sind, aber denen nie jemand beigebracht hat, das "gepflegt werden" nichts schlimmes ist. Weder vom Züchter, noch vom Besitzer. Die sich vor der Bürste fürchten, vor dem Baden, vor der Schermaschine, vor der Krallenzange. Die um ihr Leben kämpfen, wenn sie gepflegt werden sollen. Die nichts aushalten können, weil sie weder erzogen sind noch an irgendetwas gewöhnt werden.
Und die genau deshalb immer wieder und wieder verfilzen, sich nicht die Zähne putzen und nicht die Krallen schneiden lassen. Und somit in diesem Teufelskreis gefangen sind.
Nein, das sind keine Einzelfälle. Und das sind erst Recht keine Tierschutztiere. Das sind Tiere, die nebenan wohnen.
Das sind auch keine Fälle von "einmal in einem halben Jahr".
Falls mir jemand dazu raten möchte, die Besitzer beim VetAmt zu melden... Das habe ich anfangs versucht. Bis zu dem Tag, als mir gesagt wurde "Was sollen wir denn machen? Die Besitzer gehen doch zu Ihnen in den Salon, das bedeutet, sie kümmern sich. Da sind uns die Hände gebunden."
Ich stand dieses Jahr mehrere Male kurz vor dem Burnout. Und das meine ich vollkommen ernst.
Ich habe nun die Notbremse gezogen, viele Kunden aussortiert, die Termine MÜSSEN nun in kürzeren Abständen erfolgen.
Das mache ich zu meinem Selbstschutz, mir geht es besser damit. Aber es ändert nichts daran, das diese Tiere existieren. Und das es eben nicht ein oder zwei sind, denen es so geht. Sondern viele. ZU viele.
Und ich weiß, das sich gerade gaaaaaaaaaanz viele denken... "Puh. SO schlimm ist es bei MEINEM zum Glück nicht." Euch sei gesagt... Zahnstein tut weh. Zu lange Krallen tun weh. Filz. Tut. Verdammt. Nochmal. Weh! Natürlich nicht, wenn es ein winzig kleines bisschen ist. Aber eben auch nicht erst dann, wenn es schon RICHTIG schlimm ist.
Bitte. Bitte, bitte, bitte... Kümmert euch um eure Tiere. So wie sie es verdienen. Investiert die nötige Zeit und das Geld, damit es ihnen gut geht.
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Text von Lisa-Marie Tomenendal