28/02/2024
Gedanken von 2009, die sich bei mir nicht geändert haben. Erziehung unbedingt, Funktionalität nein.
Erwartungen an den Hund
Nimm dir bitte ein paar Minuten Zeit und denk mal darüber nach, welche Erwartungen du an deinen Hund stellst. Dir und deinem Hund zuliebe.
Besser noch: Halte deine Gedanken schriftlich fest. Du wirst dich wundern, wie lang deine Liste wird.
„Er soll kommen, wenn ich ihn rufe.“ – „Er soll nicht jagen.“ – „Er soll nicht bellen.“ – „Er soll Besucher anstandslos ins Haus lassen und diese auch nicht anspringen.“ – „Er soll tun, was ich ihm sage.“ – „Er soll freundlich zu Kindern sein.“ – „Er soll sich im Restaurant, bei Freunden, im Biergarten, in der Straßenbahn ... benehmen.“ – „Wenn ich nicht da bin, soll er sich ruhig verhalten und nichts kaputt machen.“ – „Er soll sich mit Artgenossen verstehen und auch andere Tiere in Ruhe lassen.“ – „Er soll niemanden beißen.“ – „Er soll sich von allen streicheln lassen.“ – „Er soll sich beim Tierarzt benehmen.“ – „Er soll Haus und Hof bewachen.“ – „Er soll ein guter Freund und Spielgefährte der Kinder sein.“ – „Er soll nicht an der Leine ziehen.“ – „Er soll im Haus/in der Wohnung keinen Blödsinn machen, auch wenn ich keine Zeit für ihn habe.“ – „Er soll Tricks lernen.“ Und, und, und…
So oder ähnlich wird deine Liste aussehen.
Kurz gesagt: Der Hund muss funktionieren. Tut er das nicht, haben wir ein Problem damit. Und somit auch der Hund.
Aber ist nur ein „funktionierender“ Hund ein guter Hund? Ist nur ein „funktionierender“ Mensch ein guter Mensch? Ist nur ein „funktionierendes“ Lebewesen ein gutes Lebewesen?
„Ein Hund muss funktionieren.“ Muss er das? Oder objektivieren wir ihn damit?
Um zu verdeutlichen, was ich mit Objektivierung meine, schauen wir doch mal kurz, was Wikipedia unter „Funktion“ versteht:
„Als Funktion eines Objektes bezeichnet man die Aufgabe, die es zu erfüllen hat. Die Funktion stellt neben Form, Material, Struktur usw. ein wesentliches Charakteristikum eines jeden Objektes dar, das in irgendeiner Form ge- oder benutzt wird.
Beispiele:
• Das Herz versorgt den Körper mit Blut.
• Ein Kleiderständer ist zum Aufhängen von Kleidung da.
• Ein Wohngebäude dient zum Wohnen.
• Kohle dient als Brennstoff.
Während der Begriff Zweck den Beweggrund einer aktiven Tätigkeit oder eines aktiven Verhaltens bezeichnet, wird der Begriff Funktion in der Regel auf PASSIVE OBJEKTE angewandt, die vom Menschen benutzt werden. Im Alltagsgebrauch werden Funktion und Zweck jedoch häufig synonym gebraucht.
Die Optimierung von Produkten aller Art hinsichtlich ihrer Funktion ist eine wichtige Aufgabe von Ingenieuren, Produktdesignern und Architekten und allen, die in irgendeiner Form schöpferisch tätig sind. Die Erfüllung gestellter Anforderungen bezeichnet man als Funktionalität oder Gebrauchstauglichkeit (Produkt). Erfüllt ein Objekt gleich mehrere verschiedene Funktionen, spricht man auch von Multifunktionalität (siehe Funktionsintegration).
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Funktion_(Objekt)“
Wir wollen also nicht nur, dass unser Hund „funktioniert“, sondern er soll gleich multifunktional sein. ;-)
Wo bleiben da die Bedürfnisse des Hundes? Wo bleibt seine Individualität? Wo bleibt der Tribut an seine hochsozialen Fähigkeiten? Ist ein „funktionierendes Objekt“ wirklich das, was wir wollten, als wir uns dafür entschieden, einen Hund in unser Leben zu nehmen?
Die Bedürfnisse des Hundes möchte ich hier vorerst nicht näher beleuchten, dazu gibt es einen eigenen Artikel.
Ich möchte mit diesem Artikel einfach dazu anregen sich selbst zu fragen, welches Bedürfnis hinter unseren Erwartungen an den Hund steht und dies – zumindest vor sich selbst – ganz ehrlich zu beantworten. ;-)
Sind es tatsächlich unsere eigenen Bedürfnisse, die uns dazu bringen, von Hundeschule zu Hundeschule, von Trainer zu Trainerin, von Buch zu Buch zu springen um dieses oder jenes Verhalten unseres Hundes „in den Griff zu kriegen“? Nervt UNS das Bellen, wenn es klingelt, das Leineziehen, das Jagen, das Nicht-von-Jedem-streicheln-lassen oder nervt es unsere Nachbarn, unsere Umwelt oder gar unser Ego, einen „nicht funktionierenden“, „nicht guten“, „schlecht erzogenen“ Hund zu haben?
Wann ist es Zeit, die eigenen Erwartungen zurückzunehmen, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen, unseren individuellen Hund individuell sein zu lassen und wann nicht? Wann ist es Zeit, sich zu fragen, warum der Hund all dies tut, was er nicht tun soll und umgekehrt?
Während meiner Ausbildung wurde ich dazu angehalten, eine ganz einfache Frage zu beantworten. „Warum habe ich einen Hund?“
Ich möchte diese Frage gerne an euch weitergeben. Und ich möchte diese Frage ausweiten um: „Gibt mein Hund mir all das?“ Und aus Hundesicht „Warum habe ich einen Menschen? Gibt mein Mensch mir all das?“
Über Fragen, Anregungen und einen Gedankenaustausch freue ich mich…
© Pfotenharmonie, 2009, überarbeitet Febr. 2016
Darf gerne – unverändert und mit Quellenangabe – geteilt werden.