10/03/2024
Wenn der Schuh drückt, wird’s eng !
Von Pumps, Autos, „irgendwas stimmt mit Hasi nicht“ und jagenden Hunden
Wenn wir Schuhe kaufen möchten, probieren wir sie vorher an. Da wir möglichst viel mit ihnen laufen möchten, müssen sie uns einwandfrei passen.
Ja, sie müssen uns gefallen, aber in erster Linie zu uns und unseren Füßen passen und zu unseren Anforderungen.
Bin ich ein Wanderer, brauche ich robustes Schuhwerk.
Bin ich ein Läufer oder Jogger, suche ich mir geeignete Sportschuhe aus.
Lege ich einfach nur Wert auf gutes Aussehen und flaniere täglich in schicken Einkaufsmeilen, dann greife ich zu stylischen Pumps oder anderen schmückenden Fußbekleidungen.
Vielleicht mache ich ja auch alles gern und habe deswegen einen vollgefüllten Schuhschrank mit allen möglichen Varianten.
Wir verbringen Wochen und Monate damit, um uns ein neues Auto auszusuchen und zu kaufen.
Wälzen stundenlang Prospekte mit unterschiedlichen Automarken, um endlich das passende Auto zu finden.
Ich sollte mir möglichst keinen Rennwagen kaufen, wenn ich nicht gern schnell fahre und eher in der dreißiger Zone unterwegs bin.
Ich kaufe mir kein tiefergelegtes Modell, wenn ich damit täglich über Buckelpisten fahren muss, um zu meinen Pferden in der Einöde zu gelangen.
Ich sollte mir keinen großen spritfressenden amerikanischen Schlitten kaufen, wenn ich an allen Ecken und Enden sparen muss.
Bei Autos, Fernseher, Handys, Schuhen und vielen anderen für uns wichtigen Sachen sind wir kritisch, versuchen wir logisch und vernünftig zu handeln, zu kaufen und dementsprechend fallen wir auch unsere Entscheidungen.
Ausnahmen bestätigen wie immer die Regeln!
In der Hundewelt sieht es leider oftmals ganz anders aus.
Fast jede Hundeschule in Deutschland bietet zukünftigen Hundebesitzer eine Beratung nach dem Motto: „Welcher Hund passt zu mir?“ an.
Ich bin seit fast 20 Jahren Hundetrainer und habe seit 2005 eine eigene Hundeschule.
Auch wir bieten seit Jahren diese Beratung an und trotzdem haben in diesen ganzen Jahren nur eine Handvoll zukünftiger Hundebesitzer diesen Service in Anspruch genommen.
Da wir mit vielen anderen Hundeschulen im freundschaftlichen Austausch stehen, bekamen wir diesbezüglich von diesen ähnlichen Rückmeldungen.
Viele haben und hatten entweder keinerlei Anfragen oder nur wenige.
Die Auswirkungen sehen wir dann jährlich in unseren Hundeschulen.
Viele Hundebesitzer machen sich sehr wenig Gedanken über die richtige Wahl der passenden Hunderasse und entscheiden oftmals nur nach dem Aussehen oder tatsächlich auch aus Prestigegründen, ohne sich wirklich über den Ursprung, Genetik und Ansprüche der jeweiligen Hunderasse zu informieren.
Gott sei Dank nicht alle, aber auffällig viele!
Da wird der Kurzhaarbernhardiner angeschafft, obwohl man gern viel mit dem Rad unterwegs ist.
Der sportliche Jogger wundert sich, dass Mops, Bulldogge und Co röchelnd, fast kollabierend auf dem Waldweg liegt und nach Luft ringt und für Kilometerlange Strecken dann doch nicht so geeignet scheint.
Die Husky-Besitzerin, die sich zwar gern stundenlang Schlittenhundedokus im TV anschaut, ansonsten aber lieber auf dem Sofa sitzt und kleine, kurze Spaziergänge bevorzugt.
„Alles echt passiert und ich schwöre, ich sage die Wahrheit und nichts als die Wahrheit; so wahr mir der Hunde-Gott helfe!“
Hier noch ein paar wahre und echte Beispiele mehr:
Wir nennen sie mal „Geschichten aus dem Hundeschulalltag“
Das Telefon klingelt, “Guten Tag Frau Müller, wir besitzen einen Setter und der jagt!"
Ich: "Frau Meier, das machen Setter halt, dafür sind sie seit Jahrhunderten gezüchtet und selektiert worden."
"Das haben wir uns aber nicht so schlimm vorgestellt und muss sich dringend ändern!“
----------------------
E-Mail:
Sehr geehrte Frau Müller, wir haben seit einem Jahr einen Border Collie aus der Showlinie. Er hütet den ganzen Tag unser Zwergkaninchen und jagt Autos. Wir spielen schon stundenlang „Bälle werfen“ mit ihm, um ihn auszulasten, aber das Problem wird immer schlimmer. Sie müssen uns da helfen, da das Kaninchen schon sehr gestresst aussieht, reglos in der Ecke sitzt und gar nichts mehr frisst.
Ich: Lebt es denn überhaupt noch?
----------------------
Herr Schulze im Erstgespräch:
Das hier ist Zeus, ein echter zentralasiatischer Owtscharka. In der Erdhöhle geboren und ich bin extra weit gefahren, um ihn zu holen. Eigentlich ist er ein ganz, ganz lieber, aber irgendwie mag er unseren Nachbar nicht und mit Freunden hat er auch so das ein oder andere Problem. Wissen Sie, Zeus hat schon mal einen Besucher in die Hand geschnappt (versehentlich) und knurrt immer so, wenn jemand aufs Grundstück kommt. Ich bekomme kaum noch mehr Besuch, dabei bin ich doch so ein geselliger Typ.
----------------------
Da ist der Appenzeller nun doch zu groß für den Fahrradkorb geworden und irgendwie hat der Saluki so gar keine Lust zum Apportieren.
Der Collie verhält sich gar nicht wie Lassie und der tschechoslowakische Wolfshund zerlegt auf einmal das ganze Interieur eines Luxusappartments, weil er so gar kein Bock auf Alleinsein hat.
Jaaaa, ich weiß, niemals pauschalisieren und es gibt wie immer Ausnahmen bei jeder Hunderasse und alle Hunde sind individuell.
Jetzt wird’s aber trotzdem ernst!
Das traurige an der Sache ist, dass viele dieser Hunde am Ende im Tierheim landen, als Wanderpokal mutieren oder wenn es ganz schlecht läuft, beim Einschläferungstermin in der Tierklinik landen, weil der Beipackzettel und die Gebrauchsanleitung im Vorfeld nicht richtig oder gar nicht gelesen wurde und es dann einfach nicht mehr passt, unbequem oder gefährlich wird.
Dann ist Holland in Not, dann muss schnellstmöglich eine Lösung her und die Hundeschulen werden zuhauf überrannt.
Dann sind wir Hundeschulen natürlich da und versuchen zu retten was zu retten ist.
Oft klappt es, manchmal aber auch nicht!
Dann wird’s traurig.
Denn wenn der Schuh nicht passt, wird’s eng und unbequem. Dann wird er umgetauscht, entsorgt oder passend gemacht.
Dabei wäre es doch so einfach!
Wenn der große Teil aller Hundebesitzer sich vorher genauso ausgiebig informieren und sich Rat bei Profis suchen würde, wie er es beim Autokauf macht, wäre die Hundewelt um ein wesentliches besser.
Dann wären viele Besitzer nicht mehr so frustriert, traurig und verzweifelt.
Viele Hunde wären glücklicher und könnten ein artgerechteres Leben führen.
Dann wären die Tierheime vielleicht nicht mehr so voll.
Dann… dann…. dann….
Eine schöne Vorstellung, oder?
Hoffen wir, dass es sich ändert und ein Wunder geschieht!
Ein paar Worte zum Schluss:
Natürlich kann ein Setter „Freilauf“ beim Spaziergang haben, ohne die Hasenpopulation in seinem Umfeld auf null zu reduzieren, kann der Border Collie lernen, das Kaninchen in Ruhe zu lassen und der Zentralasiate kann/muss lernen, nicht gleich jeden Besucher zu verspeisen, der das Grundstück betritt.
Genetik hin oder her, der Hauptteil ist schlicht und ergreifend, Erziehung!
Erziehung ist notwendig, Erziehung ist Tierschutz!
Aaaber, das ist ein gaanz anderes Thema!
Ach, da könnte ich Geschichten schreiben
Teilen, bis der „Tier“arzt kommt!!!!🙏
Text: Sandra Müller
Bild: Clipdealer