05/04/2019
Dem ist nichts hinzuzufügen!
Anweidezeit - wenn ihr euer Pferd nicht mehr wollt, dann gebt es doch mir!
Ungefähr so komm ich mir manchmal vor, wenn ich morgens an Weiden vorbeifahre. Da stehen schön im knackig kalten Tau und Reif die Pferde auf der Weide und ... jaa ... irgendwie hab ich das mal anders gelernt. Früher gab es ja diese Faustformel: April bis Oktober. Hat viele Gründe, ist vielleicht auch nicht immer so zeitgemäß, wenn man sich mal die Wetterkapriolen anschaut, aber so an sich ist das ein guter Richtwert, den man sicher auch mal ausreizen kann. Von Fruktanwerten haben aber scheinbar viele Reiter nicht gehört und verhalten sich damit wie unsere Lieblingssekte, Hufrehe kommt ja vom bösen Schmied und nicht vom Futter. Gras ist dummerweise aber Futter und hohe Fruktanwerte machen gar seltsame Dinge mit dem Pferd. Es wird krank.
Jaja ... nicht immer. Wisst ihr, mein Pferd steht zum Beispiel auch auf einer Weide mit Eicheln. Die fallen rüber, wir können es nicht verhindern, denn die Bäume stehen auf der anderen Seite des Zauns. Die Bahn (denen die Bäume gehören) interessiert sich nicht dafür, schnippeln dürfen wir die auch nicht. Ergo fallen Eicheln auf die Weide. Mein Pferd staubsaugt die auch immer mal wieder. Nicht exzessiv, schon, weil mein Stallbesitzer sie ständig aufsammelt.
Es war noch nie ein Pferd in diesem Stall aufgrund der Eicheln krank. Muss ich deswegen propagieren, dass Eicheln total harmlos sind, weil MEIN Pferd noch nicht krank war? Ich glaube nicht. Das geht raus an all die Ladys die meinen: "Also meinem Pferd hat's nicht geschadet, das ist alles voll harmlos!". Deswegen ist es trotzdem nicht gesund und die Gefahr, die vom hohen Fruktanwert auf der Weide herrührt, die ist ganz und gar nicht zu verachten. Stell nur mal das "richtige" Pferd drauf. Da hat der Poppes aber Kirmes.
Junges Gras, das durch die Sonne zum wachsen gebracht wird, hat einfach eine ganz andere Zusammensetzung als Gras im Sommer. Das ist der erste Schnitt. Es kämpft sich hervor, reagiert auf die Sonnenstrahlen mit starkem Wachstum und natürlich braucht es dafür Energie. Und die wird darin produziert. Frisst ein Pferd das, nimmt es also andere Dinge auf, als es das im Sommer tut. Ganz salopp und ohne wissenschaftliche Begrifflichkeiten gesagt. Zudem ist sein Körper noch auf Winterfütterung eingestellt, welche aus Heu, Silage, whatever besteht, aber nicht aus frischem Gras. Hohe Fruktan und Eiweißgehalte beim Gras machen das Pferd krank. Nicht jedes - aber eben genug, als dass sich schlaue Leute damit beschäftigen und Regeln und Ideen vortragen, damit eben nicht so viele Pferde krank werden.
Dann gibt es auch noch diverse Momente, in denen die kurzen Grasstengel noch schädlicher sind, nämlich in den frühen Morgenstunden, wenn es schön muckelig kalt ist. Besonders kurios: Ich sehe morgens draußen Ponys ... die klassischen Hufrehekandidaten. Warum macht man das? Ich verstehe, dass man sein Pferd so viel wie möglich draußen halten möchte. Aber dann doch bitte so gesund wie möglich? Es gibt Matschpaddocks, Sandböden, usw. Da standen die doch vorher auch. Kann man nicht noch ein bisschen warten? Und ein bisschen langsam machen? Das tut keinem weh. Ja, sicher ist es schöner (und einfacher), wenn die Pferde einfach auf der Weide sind und da munter fressen, braucht ja auch weniger Heu. Aber gesünder ist das nicht zwingend.
Vielleicht ist es hin und wieder doch mal nicht schlecht einfach nachzuschlagen, nachzufragen und zu überlegen, bevor man einfach meint: "Ja, früher hatten die keine Ahnung" und sein Pferd auf der Weide parkt. Da ist dann das Geschrei groß, wenn der Zosse plötzlich Hufrehe, Kolik oder Kotwasser bekommt. Wie konnte DAS nur passieren? Ich hab es doch so artgerecht wie möglich gehalten. Na, ja ... so artgerecht wie ein Steppentier auf einer fetten Weide eben leben kann. Und bloß nicht vergessen, immer schön die anderen auslachen. Haben ja alle keine Ahnung.
Foto: Ich hab nichts gemacht!