31/12/2024
... und da sagte ich noch: "Äh, auf dem Regenbogen ist für alle Platz" und er so "Platz da, ich hab's eilig".. Tz tz, Katzen gibt's... warte kurz: Hey, du. Ja, dich meine ich! Was... machst du hier genau? Normalerweise verirren sich keine Menschen hierher, schon gar keine, die quietschlebendig sind. Oder warte mal...
Ah, ich hab's, du träumst! Klar, muss so sein. Passiert manchmal, versteh mal einer die Menschen...
Dann bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon, dass wir hier Tag der offenen Regenbogenbrücke haben.
Womit wir auch schon beim Thema sind: Willkommen auf, nun ja, der Regenbogenbrücke: Der letzten Haltestelle zwischen dem Diesseits und dem, was auf der anderen Seite ist. Wie du siehst, ist hier gerade eine Menge los, aber mach dir keine Sorgen: Platz ist hier für alle Tiere.
Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin Angel und der Kater, mit dem ich mich bislang unterhalten habe, hatte leider noch keine Gelegenheit, einen Namen zu erhalten, bevor er sich, wie ich, von euch verabschiedet hat. Ja, wir sind beide Ende diesen Jahres verstorben. Keine Sorge, wir beißen nicht, alles gut. Wir sind einfach nur nicht mehr lebendig...
Wie es dazu kam, fragst du?
Tja, meine Geschichte ist leider nicht sehr lang, ich kann sie dir gerne erzählen, wir haben ja Zeit. Also ich jetzt, du wirst irgendwann aufwachen. Aber wenn du schon mal da bist: Setz dich hin, wir haben hier bestimmt irgendwo einen Baum an den du dich anlehnen kannst.
So, jetzt aber: Wo waren wir? Ah, genau, Angel mein Name und ich bin leider gerade einmal vier Monate alt geworden.
Als Kitten hatte ich es von Anfang an nicht leicht: Ich war eine unter vielen, mein Schicksal ist wirklich nicht einzigartig: Wir sind die Zurückgelassenen, deren Eltern auf sich allein gestellt sind. Die versuchen auch nur zu überleben und, naja, sie vermehren sich auch. Jedes mal, immer wieder.
Die Folge sind noch mehr Katzen, die alle ums Überleben kämpfen und der Kampf ist hart: Gefährliche Umgebung, keine Kontrolle, alle möglichen Tiere und oftmals viele. Ein absolutes Chaos.
Ich war auch eine dieser Katzen. Unter freiem Himmel, kaum etwas zu essen und wenn, nun ja, nicht immer gerade das, was man braucht um groß und stark zu werden. Und während ich versuchte, in den ersten Monaten meine Umgebung zu verstehen, war da diese unfassbare Kälte, die ihr wohl "Winter" nennt. Ich habe zwar ein Fell, aber ohne Nahrung und Schutz... Die Nächte waren schlimm, wirklich schlimm. Gesund zu bleiben, nun, das ist auch nicht einfach: Ich hatte diese Nase, die mir ständig lief, ich musste mich ordentlich erkältet haben. Meine Augen, meine Nase, ständig diese Hoffnungslosigkeit, nie zu wissen ob und wie man den nächsten Tag übersteht...
Ich wusste beim Aufwachen nicht, ob ich die verkrustete Nase vom Schnupfen oder vom Weinen hatte.
Irgendwann verlor ich meine Hoffnung und Kraft.
In meinen letzten Stunden erinnerte ich mich, wie mich jemand fand und pflegte. Ich war dafür sehr dankbar, aber leider war es zu spät. Ich konnte mich nur noch ein mal mit einem letzten Blick bedanken und hoffe, dass ich wenigstens etwas von der Wärme zurückgeben konnte, die man mir zuletzt schenkte. Ich war einfach nur noch dankbar und erleichtert, dass ich sowas wie Wärme und Hoffnung erleben durfte.
Aber dort, wo ich herkam und da, wohin ich ging, waren viele Katzen, wirklich viele. Es werden jeden Tag mehr, es wird wirklich zuviel.
Übrigens, wo wir dabei sind: Wenn du wieder aufwachst, tu mir bitte einen Gefallen, sag euren Leuten, dass sie uns bitte, bitte kastrieren lassen. Wirklich, das geht schnell, kostet nicht viel und schützt uns und die anderen. Ich weiß, keiner mag Operationen, aber das ist unsere einzige Chance auf ein würdevolles Leben. Das ist allemal besser als ein kurzes leidvolles Leben mit Kampf und Kälte. Wirklich. Ich habe es hinter mir, aber ich würde es den anderen ersparen wollen. Denkst du daran, bitte?
Dank dir.
Ah, der neben mir, fragst du? Tja, den hat es auch erwischt. Spricht nicht viel, eigentlich hört er nur zu. Er ist etwas grummelig, aber das ist für mich in Ordnung, er ist auch älter. Leider wurde er nicht noch älter, da er, auch in dieser Zeit, von einem Auto angefahren wurde. Man fand ihn, brachte ihn zum Tierarzt und versuchte alles. Aber... bevor er einen Namen erhielt, starb er an den Folgen des Unfalls. Zuletzt war er dankbar, auch wenn er es nicht zeigen konnte, ist er immer noch. Wie gesagt, ich mag ihn.
Tja und sonst landen hier auch manchmal Tiere, die nicht nur träumen, sondern auch an der Schwelle sind, die noch unentschlossen sind. Ich nutze dann die Gelegenheit um zu erfahren, was da so unten abgeht.
Letztens unterhielt ich mich mit Snoopy, süßer alter Kater. Als man ihn fand, war er völlig dreckig, hatte einen ordentlichen Flohpelz, war aber verkuschelt wie sonst was, hat mich direkt angekuschelt! Alt war er auch und hatte absolut keine Angst vor Hunden. Mutig, durch und durch, aber das Leben lehrt einem Angst, das habe ich auch in meiner kurzen Zeit gelernt.
Jedenfalls war Snoopy völlig ausgehungert und durstig ohne Ende. Als man ihn fand, war er kurz davor, sich ganz zu verabschieden, aber etwas an ihm klammerte sich mit aller Kraft am Leben. Ich meine, der aß sogar seine Katzenstreu, der Arme. Aber er scheint jetzt auf dem Weg der Besserung zu sein, jedenfalls sehe ich ihn nicht oft. War vermutlich in letzter Sekunde. Gut, wirklich, seine Zeit war noch nicht gekommen.
Ach Snoopy... hoffe, dir geht es bald besser.
Auch auf dem Weg der Besserung war ein anderer namenloser Kater. Ebenfalls mit sehr starkem Schnupfen - kein Wunder für die Jahreszeit - und mit einem wunderschönen rot getigerten Fell. Er hat mir auch erzählt, wie er gelitten hat, aber auch er hatte in letzter Sekunde Glück und er wird wohl bald wieder gesund. Auch ein positives Erlebnis, davon gibt es leider nicht viele. Aber hey, ich freue mich für sie, auch wenn ich leider nicht mehr runter kann. Das ist aber ok so: Ich bin gerne hier, unterhalte mich mit den Neuankömmlingen. Wäre ich älter gewesen, hätte ich auch mehr Menschen gesehen, aber so, nun, habe ich dich erlebt, scheinst in Ordnung zu sein.
So wie meine Retter, die, auch wenn ich nicht lange leben konnte, mir einige wenige schönen Stunden geschenkt haben. Ich bin unendlich dankbar dafür.
Das war meine, unsere Geschichte. Es gibt noch mehr, aber ich glaube, du wachst bald auf. Das ist auch gut so, das ist wirklich kein Ort für Menschen und schon gar nicht für lebende. Danke, dass du mir zugehört hast!
Was sagst du? Da hinten? Nein, da darfst du nicht hin. Aber du kannst dir sicher sein, dass deine Freunde schon dort sind, wir sind hier alle.
Aber du wirst woanders gebraucht: Da unten, da sind viele, denen du ein tolles Leben bereiten kannst!
Tu mir bitte einen Gefallen und gib etwas von dem, was du gehört hast, weiter. Lerne aus meiner, unserer Geschichte und hilf dabei, dass es anderen besser geht. Lass uns bitte kastrieren, damit das Leid ein Ende hat. Ich unterhalte mich zwar gerne mit allen, aber mir würde es besser gehen bei dem Gedanken, dass manche das Paradies auf Erden noch genießen konnten, bevor sie hier landen. Ich denke, es gäbe dann genug Platz für alle, wenn wir nur an alle denken.
So, mach es gut, wach auf und bleib gesund. Und wenn du da unten Benita siehst, sag ihr schöne Grüße: Sie tut unten das was ich hier oben mache. Bestimmt hat sie auch was zu erzählen, frag sie doch einfach mal.
Und nun: Aufwachen!