07/07/2022
Auslandshunde und der Tierschutzgedanke aus Erfahrung beschrieben oder besser so kann es auch laufen. Sehr lesenswert für alle die sich mit dem Gedanken tragen einen Hund aus dem Ausland zu adoptieren oder vielleicht auch schon haben.
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Es ist eine Weile her, dass dieser Gastbeitrag schon einmal veröffentlicht wurde.
Die Verfasserin berichtet von ihren Erlebnissen und Erfahrungen hinsichtlich der Übernahme ihrer Hunde aus dem Tierschutz. Wir wissen, dass es genau so gut auch andere Geschichten gibt, bei denen alles reibungslos verlief. Dies ist ein einzelner Erfahrungsbericht. Aus unserer Sicht ein wichtiger, denn es will nun einmal gut überlegt sein, für ein Lebewesen da zu sein - mit all den Höhen und Tiefen, die das Zusammenleben mit sich bringt:
„Der total menschenbezogene Husky sucht dringend eine PS, er mag hier gar nicht mehr fressen.“
„Die super freundliche Hündin braucht eine Not-PS, da sie bei der jetzigen PS in den nächsten 24 Stunden rausfliegt.“
Zusatzinfo am Telefon: „Dass sie keine Hunde mag, stimmt sicher nicht – sie will bestimmt nur zu den Hunden und spielen.“
Mit diesen Beschreibungen haben wir unsere Hunde Scooby und Hannelore im Online-Dating für Auslandshunde kennengelernt.
Scooby hatte eine Bauchspeicheldrüsenentzündung und Würmer. Hannelore will nicht spielen, sondern findet andere Hunde erstmal alle so richtig sch***.
Hätten wir falsche Erwartungen gehabt, wären wir wie im echten Dating-Leben böse auf die Nase gefallen. Denn Liebe auf den ersten Blick ist die falsche Entscheidungsgrundlage für einen Hund aus dem Tierschutz. Eigentlich immer und ganz besonders, wenn der Hund aus dem Ausland kommt. Für das gemeinsame Miteinander braucht es Zeit, Geduld und manchmal auch ganz viel Frustrationstoleranz – Facetten, die wir in unserer Gesellschaft vielleicht etwas verlernt haben.
Scooby kam an und hat, anstatt seine Retter freudig zu begrüßen, erstmal einen unfassbar großen Haufen gemacht. Und dann nochmal, nur in etwas anderer Konsistenz. Das hat er dann für die nächsten Wochen in unserer Wohnung fortgesetzt. Manchmal waren es Haufen (easy), manchmal eher eine Seenlandschaft (nicht ganz so easy). Wir stellten uns im 2-Stunden-Takt den Wecker, es hat trotzdem nicht gereicht. Sein Verdauungstrakt war so mitgenommen, dass er zwar das Konzept von „draußen“ sehr schnell verstanden hatte, aber weder er, noch wir so schnell rennen konnten, wie es dann passieren musste. Kleines Randproblem war auch, dass er das Treppenhaus ganz schrecklich fand. Er kannte es nicht, drinnen zu wohnen. Wir brauchten nahezu vier Monate, bis sich so etwas wie ein normaler Alltag eingependelt hat. Über die Tierarztausgaben möchte ich gar nicht mehr nachdenken. Wer braucht schon Designer-Handtaschen.
Unsere Hannelore machte vom ersten Tag an wenig Hehl daraus, dass sie eine ganz besondere Hundedame ist. Mali-Mix, vermutlich nie Erziehung genossen und eine hysterische Drama-Queen, die weiß, dass Zähnchen Wirkung zeigen. Zerfetzt gerne Dinge, Kontrolletti, schrilles Organ, kurze Zündschnur, distanzlos, hibbelig und scheucht den gerade angekommenen Scooby wieder auf… Wir nahmen sie zur Pflege, weil sie ihre Systemsprenger-Qualitäten bereits zeigte und ich Angst hatte, dass sie einfach irgendwann einmal verschwindet. Der Mann hat glücklicherweise mitgezogen. Ach ja, ich möchte meinen Anfall von Größenwahnsinn nicht verschweigen – mit ein bisschen Struktur und Geduld wird das schon, dachte ich mir. Hannelore lacht sich bestimmt immer noch ins Pfötchen und ich habe mittlerweile gelernt, was gelebte Demut wirklich bedeutet.
Warum ich unseren gemeinsamen Start so negativ darstelle. Weil ich finde, dass das wichtig ist. Einem Tierschutzhund ein Zuhause zu geben, kann sicherlich manchmal auch vom ersten Moment an perfekt funktionieren. Aber es kann auch ein gemeinsamer Weg sein, der seine Höhen und Tiefen hat.
Keiner unserer Hunde hat uns jemals diese ominöse Dankbarkeit gezeigt oder war besonders froh, nun in Sicherheit zu sein. Wir mussten gemeinsam lernen, wie unser Alltag funktioniert. Für uns Menschen bedeutet das jeden Tag aufs Neue Struktur, Verlässlichkeit und Fairness zu vermitteln. Das ist kein siebter Himmel, sondern ganz viel Arbeit, Frustüberwindung und Durchhaltevermögen. Und genau das ist es auch für die Hunde.
Deshalb wünsche ich mir weniger Romantik, Verliebtheit, Helfersyndrom bei der Übernahme eines Tierschutzhundes. Dafür mehr Sachlichkeit, Respekt vor der Aufgabe und ganz besonders viel Zuversicht. Denn dann entsteht wirklich eine Beziehung zwischen Mensch und Hund, die es durch jede Lebenslage schafft."
Vielen herzlichen Dank an Heike für ihren Beitrag und vor allem für die Offenheit.
Eure Wirs