25/08/2024
Man sollte nur so viel Hund haben, wie man auch tragen kann!
Von Ralph Rückert, Tierarzt
Neulich hat Perdita Lübbe-Scheuermann (nebenbei bemerkt und um ein bisschen die Werbetrommel zu rühren: Die Autorin des sehr bemerkens- und empfehlenswerten Kinderbuchs „Pfotenteam: Hund kinderleicht erklärt“) in einem Posting obigen Leitsatz erwähnt und geschrieben, dass sie ihn eigentlich nicht so gerne hört. Ich habe dieses Posting in dem Sinne kommentiert, dass ich das aus meiner Sicht als Tierarzt für einen sehr sinnvollen Ratschlag halte, möchte dies aber hier im Blog nochmal genauer ausführen.
Ganz allgemein und vielleicht etwas provokativ: Viele Leute haben zu große Hunde! Dabei geht es mir weniger um den Alltag der Hundehaltung, wenn man sich auch diesbezüglich oft fragt, wie zum Beispiel eine 55 kg schwere Frau mit über 60 Jahren zwei Ridgeback-Rüden kontrollieren will, wenn es mal Ärger gibt. Nein, Thema dieses Artikels soll im Sinne der Überschrift sein, dass ein für die körperlichen Fähigkeiten von Besitzerinnen und Besitzern zu großer Hund bei einem medizinischen Notfall ein echtes Problem darstellen kann.
Was wir in unserem Alltag doch sehr häufig erleben: Hektischer Anruf, der Hund ist zu Hause zusammengeklappt, zeigt schwerwiegende Symptome, ist in Seitenlage. Wir: Ja, alles klar, kommen Sie sofort, wir bereiten uns vor! Besitzerin: Ich kann den Hund (in der Regel mindestens 35 kg schwer) aber nicht ins Auto transportieren! Ende vom Lied: Entweder schaffen wir es, zwei Leute aus dem laufenden Praxisbetrieb rauszulösen und da hinzuschicken (egal, wie weit es weg ist), oder der Hund bleibt unversorgt. Erstens für uns schwierig in der Nähe der Unzumutbarkeit (nicht zuletzt auch für unsere anderen Patienten mit Termin), zweitens - wenn wir es so durchführen können - sensationell aufwändig, dementsprechend teuer und darüber hinaus auch noch mit massivem Zeitverlust für den schwer kranken Hund verbunden.
Weiter: Nach manchen Operationen (man denke an Hüftgelenkendoprothesen und Osteosynthesen) ist der Hund selbst im ganz banalen Alltag für eine gewisse Zeit auf maximale körperliche Unterstützung und Kontrolle durch seine Besitzer angewiesen. Das erfordert Kraft, die dann gern mal nicht ausreichend vorhanden ist.
Und zu guter Letzt sieht man oft draußen im Gelände, zum Beispiel bei Bergwanderungen, Menschen und ihre Hunde, bei denen man sich (als Tierarzt!) unwillkürlich fragt: Na sauber, was machst du denn jetzt hier, oben am Berg und vielleicht gar noch ohne Handyempfang, wenn sich dein Hund so unglücklich verletzt, dass er nicht mehr laufen kann? Es ist schon schräg, dass sich so enorm viele Hundehalter:innen sehr für Erste-Hilfe-Kurse interessieren, sich also der Tatsache bewusst sind, dass Hunde nun mal nicht unzerbrechlich sind und „sh*t happens“ nicht nur eine Floskel ist, aber keinen Gedanken daran verschwenden, in welche Situationen sie sich mit ihrem Vierbeiner begeben und wie sie da im Fall der Fälle wieder rauskommen.
Ich habe die Geschichte in einem anderen Artikel schon mal erzählt: Vor einigen Jahren ging ein Ehepaar mit seinem Rottweiler auf eine zwar unschwierige, aber sehr lange und in großer Höhe verlaufende Wanderung, bei der es zwischen Ausgangspunkt und Ziel keine Fluchtwege ins Tal gab. Irgendwann hatte sich der Hund auf scharfem vulkanischen Gestein so die Pfoten zermetzgert, dass er einfach nicht mehr weiter konnte. Natürlich hat der Mann versucht, den Rotti zu tragen, aber man kann sich vorstellen, wie weit er damit bei einem Tier mit einem runden Zentner Gewicht gekommen ist. Das Ende vom Lied: Für ein Notbiwak waren die Leute nicht ausgerüstet, sie mussten also das Ziel noch bei Tageslicht erreichen und haben den Hund zurückgelassen. Schreckliche Sache! Zur Beruhigung: Das Ganze ging gut aus, weil der Hund am nächsten Tag von einer Gruppe Bergretter gefunden und geborgen werden konnte.
Fazit: Die Grundregel, dass man seinen Hund IMMER ein gutes Stück weit tragen können sollte, ist in meinen Augen ausgesprochen sinnvoll!
Quidquid agis, prudenter agas et respice finem! Was immer du tust, tue es klug und bedenke die Folgen! Das gilt auch für die Größe des Familienhundes in Relation zu den eigenen körperlichen Fähigkeiten und unter Berücksichtigung des eigenen Alterungsprozesses! Ich bin mit meiner seit Jahren zunehmende Beschwerden verursachenden Hüftgelenkarthrose sehr froh über meinen kleinen Hund mit seinen gerade mal 13 kg!
Auf meinen Kommentar in Perditas Thread hat eine Diskussionsteilnehmerin geantwortet: „Okay, dann lassen wir die Großen jetzt aussterben!“. Nein, wir überlassen ihre Haltung nur denjenigen, die das auch im wahrsten Sinne des Wortes stemmen können!
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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