23/08/2021
Nicht nur Reiten will gelernt sein!
Man kann fast nicht zusehen. Das 600kg Warmblut zieht seine Besitzerin auf dem Weg zur Halle gerade dahin, wo es ihm gerade passt. Auf einmal wird das Pferd ängstlich, weil es irgendetwas gesehen oder gehört hat und seine nebenherlaufende Begleitung ist völlig mit der Situation überfordert. Das Pferd hat jetzt beschlossen, dass es genug ist, und verschafft sich durch einen Ruck am Strick seine Freiheit und bringt sich selber erst mal in Sicherheit. Die völlig entnervte Besitzerin weiß nicht mehr, was tun. Ständig dieser Affenzirkus. Ihre eigene Angst vor dem Pferd steigert sich von Mal zu Mal. Man darf nicht vergessen 600 kg, wenn man, da gerade ungünstig im Weg steht, wächst kein Gras mehr.
Für pferdeerfahren Menschen ein Unding. Ja mei, würde sie doch so oder so agieren, wär das doch alles kein Problem. Ja klar sie haben recht, nicht immer im Detail mit den Tipps, aber die ängstliche Dame muss was ändern. Man fragt sich jetzt natürlich unweigerlich. Warum hat jemand ein Pferd, wenn er es noch nicht einmal führen kann? Weil ihr höchstwahrscheinlich die Erfahrung fehlt und es ihr niemand beigebracht hat. Wie jetzt? Sie wird jawohl Reitunterricht gehabt haben? Wahrscheinlich, aber heutzutage wird in normalen Unterricht eben nicht mehr vermittelt wie mit Pferden umgegangen werden soll. Oft ist es leider so, dass die Vermittlung des Grundwissens viel zu kurz kommt.
Man bekommt erklärt, wie man lenkt, wie man richtig sitzt, wenn man nen guten Lehrer hat, sogar, warum sie Hilfen so und so gegeben werden müssen. Warum es für Pferd und Reiter wichtig ist. Aber wie ein Pferd denkt, fühlt, reagieren kann und wie man im täglichen Leben den Pferden eine Führung, statt die Krücke nebenher ist, sagen einem die wenigsten. Hat natürlich seinen Grund. Zeit. Eine Reitstunde max. 45.min kostet, sagen wir mal im Durchschnitt 25,-. Da wird halt geritten. Der Reitlehrer hat weder die Zeit noch so viel auf dem Konto, dass er grundlegende Sachen wie den Umgang jedes Mal noch ne Stunde umsonst erklären kann. Und oftmals wird das ja auch gar nicht verlangt, dass der Reitlehrer mal eine Stunde in „Pferdeumgang“ gibt. Defizite auf beiden Seiten.
Kann man dann so einigermaßen gerade auf dem Pferd sitzen, wird der Wunsch nach einem Eigenen laut. Man sucht sich nun ein schickes Pferd aus, das vermeintlich passt, und will seinem Bedürfnis zu Reiten nachkommen. Es kommt vor, dass die Berater die beim Pferdekauf dabei waren, etwas daneben lagen, oder aber es hat anfangs gepasst und nach vier, fünf Wochen macht der Gaul, was er will. Jetzt muss der Pferdeflüsterer her, denn Fury funktioniert nicht mehr.
Wenn Pferde mit ihren Besitzern nicht harmonieren, liegt aber meistens daran, dass diese nicht wissen, wie sie Pferde zu deuten, und zu führen haben. Menschen mit wenig Wissen und Erfahrung kommen da ganz schnell mal vom Traumpferd zum Albtraumpferd, es sei denn, sie haben so ein Pferd erwischt, das gar Nix schocken kann. Nicht mal ein unsicherer Mensch an der Seite.
Wir sind uns auch einig, dass nicht jedes Pferd mit jedem Menschen die optimale Konstellation abgibt.
Trotzdem. Das Positive ist, man kann es lernen. Auch wenn es schon Probleme gibt, kann man lernen dem Pferd Sicherheit zu geben. Nur darf man die Fehler halt nicht pauschal beim Pferd oder irgendjemand suchen. Aus den eigenen Fehlern lernen, lernen, es selber zu tun mit fachkompetenter Unterstützung. Dann klappts auch mit dem Traumpferd.
Text u. Idee: Michael Geitner/A.Schmid
www.pferde-ausbildung.de