20/06/2023
Sehr lesenswerter Text des Tierheim Elisabethenhof !
Hunde erwarten von uns, erzogen, angeleitet, ergo geführt zu werden!
Oft liegen Wunschvorstellung und Realität weit auseinander.
Hundebesitzer zu sein bedeutet, sich der Verantwortung bewusst zu sein die dies nun mal mit sich bringt und dieser nachzukommen.
Getreu dem Motto:
"Das Geheimnis zum KÖNNEN, liegt im WOLLEN",
muss Mensch führen wollen, sonst ist der Hund am Ende der Leidtragende (weil er dann schnellstens weg muss!) und im schlimmsten Fall die Jenigen, denen er deutlich seine Grenzen gesetzt hat.
Den folgenden Text hatten wir schon mal gepostet, aber heute passt er einmal mehr wie die Faust auf‘s Auge. Wenn der Samstag mit einer Anfrage auf Aufnahme eines Hundes endet und der Montag mit einer neuen beginnt, möchte man durchdrehen, mit einem Megaphon durch die Straßen rennen und heraus brüllen, was derzeit mächtig schief läuft…
(Der trieft vor Sarkasmus; bitte weiter scrollen, wer damit nicht kann.)
DER „perfekte" Wunschhund
- die Hundehaltung in Deutschland nimmt ein Bad im Kakao
Zum Glück der Menschen, die sehnsüchtig nach ein bisschen Wildness in ihrem doch so zivilisierten Wohlstandsleben lechzen, scheint immer häufiger der Wolfsabkömmling zu fehlen. (Aber wehe das Original steht unverhofft vor ihnen...) Dieses haarige Wesen, welches sich gerne in ausgeschiedenem Darminhalt wälzt von Tieren, die niemals eine Wurmkur gesehen haben, das sabbert, sich sein Geschlechtsteil beleckt, dessen Zähne für Schmerzen sorgen können und das den Anspruch hat, bei jedem Wetter zumindest seine Notdurft an der frischen Luft verrichten zu wollen... ist, was Mensch vollständig zu machen scheint, wenn die Seele schmerzt oder eine scheinbare Lücke im Leben geschlossen werden muss.
Und so geht Mensch hinaus, auf der Suche nach einem immer treuen Begleiter, den Freund fürs Leben, der ja schließlich diese Hingabe genetisch verankert in jeder Zelle seines Körpers trägt (gefälligst). Im besten Fall soll es eine Geschichte wie aus einem ganz schrecklich unrealistischen und schlechten US-Schnulzenstreifen werden. Auf dem Weg zu diesem Ziel sieht Mensch sich in Dauerschleife Filme wie Antarctica, Bailey und Hachiko im Heimkino an, tauscht im Geiste die Rolle mit Richard Gere, während eine leere Klopapierrolle, mit der er seine Tränen trocknete, neben ihm auf der Couch liegt und er sich vorstellt, wie sein zukünftiges Hundekind bald mit einem suuuuperlustigen Klopapiervideo auf Instagram als Petfluencer debütieren wird.
Egal woher, der perfekte Wunschhund wird von seinem Menschen erkannt, sobald sich die Beiden unter einem Regenbogen gegenüberstehen.
(Manchmal auch, sobald der Dealer der Vermehrerhunde den Kofferraum ganz romantisch auf dem Autobahnrastplatz öffnet und die vier Wochen alte, schwer kranke Brut in Silbergrau und Blau verängstigt und hilflos zum ersten Mal im Leben dem Tageslicht entgegen blickt.)
Ein gaaanz besonderer Hund sollte der perfekte Wunschhund aber schon sein; NATÜRLICH nicht der Optik wegen, sondern auf Grund der Passform des jeweiligen Charakters der ganz besonderen Hunde, der sich nahtlos in die kleine Lücke des neuen Systems einfügen soll, in das er zwangsintegriert wird.
Tricolor mit braunen Augen, Blueline mit grauen Augen, Merle mit blauen Augen, Atemnot in groß, klein, dick, dünn, Gendefekt in gedrungen, windschnittig, kurz, lang, Molosser, Jagdhund, Hütehund oder gar der kaum zu bändigende Herdenschutzhund, der einem den Gottesstatus der Hundeflüsterei verleihen könnte, wenn man dessen Willen nur gebrochen bekäme, werden unter die Lupe genommen. Alle kommen in Frage, erst mal, die Auswahl ist groß, die Optik gigantisch. An EINEM kommt man jedoch einfach nie vorbei; egal, wie oft man Googles Weisheiten studiert (oder wie man das nennt, wenn sich jemand bunte Bilder von Hunden ansieht), diese EINE Rasse MUSS es sein!
Und so wird sie geboren: Die konkrete Vorstellung!
Wohl erzogen soll er sein (mit bissel Essen und ganz viel Liebe klappt das schon), dankbar wäre schön (das sind doch sicherlich die armen Seelen aus dem Tierheim/-schutz), ruhig im Haus (drei Stunden Ball spielen am Tag machen das bestimmt möglich), Trost spenden muss er (Hallo?!, nur dafür sind Hunde doch gemacht), an der Leine schweben wie ein Engel (Leberwurstpaste in der Tube reicht da sicherlich), einziges oder letztes Kind soll er sein oder zumindest dessen Ersatz (puh!), jegliche emotionale Not darf er abfangen (puh!) und und und (Uff!).
Ist die Vorstellung des perfekten Wunschhundes erst einmal fix, wird die Vorstellung seines Equipments und des Menschen Outdoor-Dress geformt und auch gleich die Wirtschaft angekurbelt. Ball, Bälle, Futterbeutel, 3, 5, 10, 15, 20 m Schlepp- und Flexileinen, Bett, Kissen, Mantel, Würgehalsband, Erziehungsgeschirr, (Stachler jibbet ja nimmer), Erziehungsspray, Lecktube, Spritzflasche, Rascheldose, Geschirr(e) mit und ohne Hundenamen oder Titel, Canicross-Set, Utility-Weste, ............, Jack Wolfskin-Dress in Lila für sie, in NATO- Oliv für ihn, sowie die passenden Kotbeutel und Stirnlampen werden angeschafft, die Schuhe natürlich nicht zu vergessen. Rütter oder lieber Milan oder doch womöglich Rudelstellungsesoterik (mehr als ein TV-Trainer ist natürlich nicht drin…); welche Glaubensrichtung ist wohl die richtige, wenn man sich die Ethik seiner Hundehaltung formt?!
Die Vorbereitung scheint perfekt, die Erwartungen sind groß!
Noch schwerer als die Last, Erwartungen erfüllen und eine Sehnsucht des Menschen stillen zu müssen, wiegt jedoch des Hundes Name. Ähnlich bedeutungsvoll und besonders wie die Namen der Kinder, die eines Tages Kanzlerin werden müssen, mindestens aber international anerkannte Neurochirurgin, MUSS auch der Name des perfekten Wunschhundes sein. Und so kommt es, dass draußen in der Natur oder dem all zu kitschig angelegten Stadtpark mit viel zu geraden Wegesrändern, ohne jegliches Insekt, aber dafür mit sonderbaren Skulpturen eine Flut von Namen zu vernehmen ist, gesäuselt von Eltern und/ oder Hundebesitzern, die ihre Herde versuchen zusammen zu treiben. Jeremy, Lasse, Elias, Levin, Milo werden gefragt, ob sie bitte kommen könnten und man weiß nie genau, um wen es gerade geht; wer ist der Hund, wer ist das Kind, sind es mehrere oder handelt es sich hierbei um EIN menschliches Individuum, das diese Aneinanderreihung von Namen wie einen Titel trägt, der sich später nahtlos an den des Doktors reihen soll. „Kannst Du BITTE aufhören die Ente zu jagen?" Und wieder weiß man nicht: Kind oder Hund? Naja, wie auch immer… Der Name ist jedenfalls irgendwann gefunden und schlussendlich fehlt nur noch der leibhaftige moderne perfekte Wunschhund.
Das Angebot ist groß und die Auswahl scheint entsprechend: Tierheim, Züchter, Wildvermehrer, „ ungeplanter" Wurf bei Nachbars, Internet-Auslandstierschutzverein mit Abholung am Transporter oder Lieferung frei Haus, Zoo-Zajak, Ebay Kleinanzeigen, Facebook, Instagram, Mundpropaganda... haste nicht gesehen. Viele können „liefern", jeder kann jeden Hundetyp bekommen, den er will, egal ob geeignet oder nicht. Wer bedient werden will, wird irgendwo fündig. Was man WILL, kann man sich kaufen, lernen wir tagtäglich, und im Zweifelsfall per Knopfdruck im Internet bestellen. Nur mit der Reklamation wird es schwierig, stellt Mensch fest, wenn klein Hundi dann erst mal eingezogen ist, und sich die Haltung womöglich gar nicht so romantisch wie im Kitschfilm darstellt.
Plötzlich enttäuscht der Hund Erwartungen, zeigt seine Grenzen und die der Möglichkeiten seines Menschen auf, entwickelt eigene Ideen, stellt Ansprüche an die menschliche Führung und wird -mal kurz gesagt- „unbequem". Mensch wundert sich, was mit dem Wunschhund los ist, man scheint doch alles getan zu haben, wovon man glaubt, es würde reichen. Wenn gar nichts mehr zieht, hat man wohl einen dominanten Alpha erwischt; klar, dass dann der Hund versagt hat, denn genau DEN muss ja erst mal einer führen können… 🙄 Und so trennen sich die Wege von Mensch und Wunschhund immer häufiger. Dass die Tierheime überfüllt sind und einige Verantwortliche sich gerne ihrer Verantwortung entziehen, hat sich wohl noch nicht in Gänze herum gesprochen und Mensch wundert sich weiter: „Ihr Tierheime seid doch dafür da, unsere Fehler auszubaden. Wie könnt Ihr keinen Platz für meinen haben?!", fragt sich der uninformierte zukünftige Ex-Wunschhundhalter.
Und so zeigt sich die Moral von der Geschicht: Vieles ist käuflich, Charakter aber nicht!
…oder so.