23/01/2025
Gestern ging ich an einem Paddock vorbei, auf dem neben einer großen Heuraufe circa 12 Ponys in der Sonne dösten. Einige von ihnen waren uralt, einige hatten einen Senkrücken, andere nur noch wenig Schweifhaare, alle sahen sie ein bisschen zerrupft aus.
Ich betrachtete sie mit einem versonnenen Lächeln, denn sie erinnerten mich daran, wie selig ich als Kind war, wenn ich ein Pony putzen durfte.
Egal was für ein Pony. Hübsch oder nicht spielte für mich keine Rolle.
Ein Pony war ein Pony und damit war es das großartigste Lebewesen der Welt.
Nichts hätte mich davon abhalten können es blitzeblank zu striegeln, seinen Schweif zu waschen und zu verlesen und ihm die Hufe einzufetten. Egal wie alt und zerzaust es auch sein mochte. Ich sah das gar nicht.
Während ich da so stand und meinen Gedanken nachhing, kam eine Familie (die wohl auf dem Hof Ferien machte) mit ihren etwa 7 und 9 jährigen Töchtern zu dem Paddock. Eine Mitarbeiterin des Hofes wies auf zwei der Ponys und sagte freundlich, dass die Mädchen diese beiden nun putzen dürften und dann auf einen Spaziergang mitnehmen.
Verblüfft sah ich, wie die Mädchen das Gesicht verzogen.
„Ich wollte ein HÜBSCHES Pony“, sagte die ältere schmollend. Und die jüngere stimmte sofort ein. „Ja, wir wollen HÜBSCHE Ponys! Die hier sind ja alle so alt und hässlich.“
Ich starrte die Familie an - in Erwartung einer entsprechenden Reaktion der Eltern, also so etwas wie: „Ihr habt sie wohl nicht mehr alle! Ihr kümmert euch jetzt um diese Ponys oder ihr lasst es, aber dann waren wir auch das letzte Mal auf einem Reiterhof!“ - oder so ähnlich.
Stattdessen sagte die Mutter: „Naja, hier gibt es wohl keine anderen Ponys…“
Tochter: „Doch! Dahinten auf der Weide stehen hübsche Ponys! Die gehören auch zum Hof. Die wollen wir als Pflegepferde haben!“
Nun mischte sich die Mitarbeiterin ein. Erstaunlich freundlich erklärte sie den Mädchen, dass sie nun einmal keinerlei Erfahrung im Umgang mit Pferden hätten und die älteren, ruhigen Ponys daher erst einmal am besten wären, um zu lernen.
Daraufhin erklärten die Mädchen, sie wollten Ponys die aussähen wie in irgendwelchen Heften und Filmen (habe ich nicht verstanden) und nicht solche hässlichen, und wenn sie nicht auf kleinen Totilassen reiten könnten, wollten sie eben gar nicht reiten.
Es ging mich wirklich nichts an und als die Mutter wieder mit ihren Töchtern zu diskutieren begann, ging ich meiner Wege. Aber ich ohne kurz bei den Eltern anzuhalten und meine Vermutung zu äußern, dass ihre Töchter möglicherweise aus den falschen Gründen reiten lernen wollten und sie doch vielleicht darüber nachdenken mögen, den beiden ein anderes Hobby zu suchen. Eines, in das keine Lebewesen involviert sind.
Denn es steht doch sehr zu befürchten, dass ein Kind, welches nicht aus reiner Pferdeliebe reiten möchte (die sich dann aber auf JEDES Pferd erstreckt), sondern nur deshalb, weil es cool ist oder es einen in der Schule beliebt macht oder man es im Fernsehen gesehen hat, sein Pferd auch später immer wie eine Sache behandeln wird.
Eine Sache, die man in die neueste Mode kleiden und vorzeigen kann, der man dabei gedankenlos im Maul herumreißen kann, der man eben auf den Bauch haut, wenn der Gurt nicht zugeht, der man den Kopf auf die Brust zieht, um besser auszusehen…
Und das ist genau das Missverständnis: Das Pferd ist keine Sache. Es ist im Gegenteil eines der sensibelsten und feinsten Geschöpfe der Erde und Reiten ist daher eben auch nicht das Auswendiglernen einer Bedienungsanleitung für eine Maschine, sondern das Erlernen der Sprache des Pferdes. Das Nachvollziehen seiner Bewegungen und seiner Instinkte und das Erarbeiten einer möglichst feinen und zuverlässigen Kommunikation. Reiten ist daher auch einfach nicht für jeden geeignet, das muss man einfach verstehen.
Die Grundvoraussetzung, um wirklich reiten lernen zu können - davon bin ich überzeugt - ist die Liebe zum Pferd. Sie versetzt einen in die Lage, die ganzen Feinheiten und komplexen Wesenszüge zu verstehen, die das Pferd und die Zusammenarbeit mit ihm ausmachen.
Und nur dann ist man zumindest einigermaßen sicher davor, ihm Schaden zuzufügen.
Julie von Bismarck
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