27/09/2022
Sehr gut. 👍
*** Meine 5 Cent zum Thema Entwurmung ***
Der ein oder andere hat vielleicht den aktuell kursierenden Post gelesen, der die Zeitgemäße selektive Entwurmung in Frage stellt.
(Ich weiß, es müsste "der/die/das andere" heißen, aber der Text wird glaube ich lang, und ich möchte ihn nicht unnötig verkomplizieren. Fühlt Euch alle eingeladen ihn (also den Text) zu lesen.
Eigentlich halte ich mich aus diesen “Massendiskussionen” raus, weil meistens eher Emotionen diskutiert werden und Fakten oft hinten anstehen. Es fühlt sich manchmal so an wie ein Artikel in der großen Zeitung mit den 4 Buchstaben... Dass die Emotionen hochkochen können wenn es um die Gesundheit unserer Pferde geht kann ich total gut verstehen, aber bevor übereilte Entschlüsse gefasst werden sollten wir alle nochmal durchatmen und überlegen.
Da ich heute mehrere Nachfragen zu dem Thema bekommen habe, möchte ich doch etwas dazu schreiben.
✅Informieren, Fakten sammeln und dann eine Meinung bilden.
Nana Keck-van Walbeek konnte mit der Posterstellerin schon einige Fehlerquellen besprechen – evtl gibt es ja auch noch ein Update im Originalpost. Das wäre auf jeden Fall sehr schön und würde wahrscheinlich einiges relativieren.
Was ich dazu sagen möchte:
❓Was heißt “hochgradig verwurmt”?
Und da plaudere ich einfach mal ein bisschen aus dem Nähkästchen meines tierärztlichen Daseins. Dieses Ergebnis sagt in der Regel absolut nichts aus. Häufig wird in der “Haustierarztpraxis/Klinik von nebenan” 1 TL Kot untersucht. Oder “soviel wie ins Röhrchen passt”. Ich habe schon in mehreren Praxen gearbeitet, und in der ein oder anderen hing das Ergebnis davon ab, wieviel Zeit die TFA (tiermedizinische Fachangestellte) gerade hatte. Und manche hatten so wenig Lust auf Kotprobenuntersuchungen, dass das Ergebnis schon vorher feststand. Traurig aber wahr. Es gibt natürlich auch TFA, die sehr gründlich untersuchen, gar keine Frage. “Es gibt solche und solche” hätte meine Oma jetzt gesagt.
Auf die Frage “Welche Würmer sind es denn?” gibt es sehr häufig ein Schulterzucken. Oder ein Blick ins Buch “könnte das Ei oder das Ei sein.” Und dann gibt es die seit 40 Jahren bewährte Entwurmungsstrategie “erst eine kleine Wurmkur, dann eine große. Damit töten wir erst nur wenige Würmer ab und dann den Rest.” (Ich kann den Satz noch gut aufsagen – habe ihn auch oft angewandt bevor ich es besser wusste.) Diese Erfahrung habe übrigens nicht nur ich gemacht, sondern auch eine große Anzahl meiner Kollegen.
Manchmal ist die Pferdebesitzerin auch so in Sorge und voller Panik, dass 1 Ei in der Kotprobe schon zu der Aussage "Die Kolik könnte durch die Verwurmung verursacht worden sein." führt. Einfach weil man sich in der Tierarzt-Rolle dann besser fühlt. Schließlich will niemand hören "Ich habe keine Ahnung, woran es liegt." Und das obwohl wir alle wissen, dass das Magen-Darm-System sehr viele Schwachstellen hat und Probleme geradezu einlädt.
Natürlich gehört die Frage zum Entwurmungsmanagement zur Anamnese eines kolikenden Pferdes dazu. Ebenso wie "Nutzung" des Pferdes, bisherige Entwurmung, Fütterung, Stress-Level, bisherige Auffälligkeiten und noch viele weitere Fragen. So eine Anamnese dauert teilweise richtig lang. Da kann jetzt jeder für sich beantworten, wie intensiv er das schon erlebt hat oder ob der behandelnde TA dann nicht doch beim ersten Befund (zB verwurmt) hängen geblieben ist. Aus dem Post auf den ich mich beziehe geht nicht hervor, ob alle anderen Ursachen ausgeschlossen wurden. Von daher kann man da keine Rückschlüsse ziehen.
Im Moment häufen sich aufgrund dieses Posts die Geschichten der "stark verwurmten Pferde" obwohl immer Proben genommen wurden. Hier wäre u.a. wichtig zu hinterfragen:
- Ist der Tierarzt/das Labor auf Kotproben spezialisiert?
- Wie sieht das ganze Stall- und Weidemanagement aus?
- Hast Du Dich an die Empfehlungen gehalten? (das ist natürlich nur relevant, wenn die untersuchende Stelle auch qualifiziert ist)
💩 Das Thema Entwurmung und Pferdeäppel ist für die meisten Tierärzte einfach langweilig. Da klemmt man sich nicht so hinter. Und es ist nicht so lukrativ wie der Wurmkurverkauf. Auch hier gilt wieder das “solche und solche”-Prinzip. Es gibt Tierärzte, die empfehlen ihren Kunden, die Kotprobe an ein Labor, das nach den ZSE-Prinzipien arbeitet, zu schicken und es gibt den “das machen wir seit 40 Jahren so”-Wurmkur-Verkauf. Dass sich in den 40 Jahren einiges verändert hat (auch das Verhalten der Würmer) bleibt da außen vor. Nett ist dafür die Marge bei Wurmkuren. Die sog. “kleine Wurmkur” kostet um Einkauf unter 2 Euro, im Verkauf häufig über 10, zum Teil sogar 15 (ein großzüiger Rabatt von 2-3 Euro pro Wurkmur wird eingeräumt, wenn man mindestens 10 kauft). Und wenn man sich dann auch noch die komplette Beratung drum herum sparen kann, ist doch alles schick.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich nicht gegen einen Gewinn bei Medikamentenverkauf bin. Schließlich muss das ganze Zeug bestellt und gelagert werden, und man muss gewisse Verluste durch abgelaufene Medikamente mit einrechnen.
Die Info soll auch nicht dazu führen, dass jetzt gesagt wird “Alle TÄ, die Wurmkuren verkaufen sind Halsabschneider.” Aber um sich ein komplettes Bild zu dem Thema zu machen ist die Info ja vielleicht nicht ganz unwichtig.
📋 Fakt ist: Es gibt immer Pferde, die irgendwo durchs Raster fallen. Das gilt aber sowohl für die ZSE als auch für die “machen wir seit 40 Jahren”-Entwurmung. Bei dem “4 x pro Jahr”-Schema gibt es keine Kontrolle, ob das Pferd verwurmt war, ob die Wurmkur gewirkt hat etc. Wenn Du bei der ZSE Pecht hast, ist die Kotprobe 3 x negativ, obwohl Dein Pferd verwurmt ist.
❗️Hier ist Beratung wichtig (oder auch “Geiz ist nicht geil”): Ich bekomme immer mal wieder Anfragen von Kunden, ob ich mal über das Kotprobenergebnis gucken kann. Das ist dann zwar “irgendwie” selektive Entwurmung, aber so richtig weiß man auch nicht. Beratung ist nicht dabei. Dafür hat es auch 5 Euro weniger gekostet als in dem Labor, das ich empfohlen habe.
Ganz ehrlich? Dazu fällt mir nichts mehr ein. Ich kann da nicht drüber gucken. Weil ich keine Parasiten-Expertin bin. Natürlich kenne ich die Grundzüge und halte mich auch auf dem Laufenden, aber es gibt Menschen, die beschäftigen sich tagtäglich damit und haben deutlich mehr Erfahrung und Wissen.
Zu einer vernünftigen Untersuchung gehört auch eine ausführliche Anamnese. Guck Dir mal diesen Fragebogen an (https://koprolab-keck.de/wp-content/uploads/2022/08/Anamnesebogen-2022.pdf).
(Werbung aus Überzeugung)
Die Daten liest dann auch jemand und setzt sie in Bezug zu den Untersuchungsergebnissen Deines Pferdes. Du bekommst eine Empfehlung und kannst Rückfragen stellen. Und das Ganze für 23.50 Grundpreis (evtl fallen Aufschläge an, falls bestimmte Befunde positiv sind.) Dafür darf ein Tierarzt laut Gebührenordnung fast noch nicht mal den Mund aufmachen.
🌿"So schlimm ist das ja für die Darmflora nicht, also spare ich mir das Geld für die Unterschungen." Nein, natürlich stirbt die Darmflora nicht bei jeder Wurmkur total ab. Und auch Leber und Niere kommen damit klar (vorausgesetzt das Pferd ist gesund). Aber es geht nicht nur um die Darmflora, sondern auch um Resistenzen. Und um das Thema Umwelt. Mit jeder unnötigen Wurmkur geht ein nicht unerheblicher Teil zurück in die Natur. Ja, ich weiß, Dein Pferd ist nur ein klitzekleiner Teil davon - aber wir können so langsam nicht mehr in klitzekleinen Dimensionen denken.
😱 Lass Dich bitte nicht von Emotionen leiten! Und lass Dir keine Angst machen. Ich kenne ein Pferd, das 10 Jahre lang 4 mal im Jahr entwurmt wurde und vor Kurzem aufgrund einer hochgradigen Verstopfung operiert werden musste. Dabei wurden mehrere Kilo Würmer entfernt. Hätte die Besitzerin einen Artikel geschrieben, dass das “4 x im Jahr Schema” Mist ist, würden jetzt alle panisch Kotproben einschicken und zur ZSE wechseln. Im Moment überlegen viele Pferdebesitzer einfach mal so eine Wurmkur reinzudrücken um sicher zu gehen.
Weder das eine noch das andere macht Sinn!
Erst informieren, dann handeln!
👉 Um zum Ende zu kommen: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Und bitte kein “blinder Aktionismus” aufgrund eines verständlicherweise emotionalen Artikels.
PS: Es wird morgen einen weiteren Post zu dem Thema geben, in dem verschiedene TFAs (nicht spezialisiert, dh ohne weitere Fortbildung im Bezug auf das Thema "Wümer bei Pferden”), dieselbe Probe untersucht haben. Die Ergebnisse sind sehr spannend!
Nochmal PS: Auf die Frage wie Du den Darm Deines Pferdes vor, während und nach der Wurmkur unterstützen kannst, gehe ich danach auch noch ein.