
06/03/2025
Was sind eigentlich „echte Gespräche“ mit Hunden?
Formalismus ersetzt keine echten Gespräche.
Im Hundetraining, im Umgang und im Zusammenleben mit Hunden wird meistens sehr viel Wert auf etwas gelegt, was man umgangssprachlich als „Grundgehorsam“ bezeichnet, und hier wird im Bereich „Formalismus“ gearbeitet.
Unter Grundgehorsam versteht man vornehmlich die Kommandos: „Komm“, „Sitz“, „Platz“, „Fuß“ und vielleicht noch „Bleib“, also im Prinzip kleine Kunststücke, die auf die eine oder andere Art konditioniert, also dem Hund erklärt werden.
Wenn man es halbwegs geschickt anstellt, lernt der Hund also, dass er etwas davon hat, wenn er auf ein Signal hin (das kann eine Zeigegeste oder auch ein akustisches Signal sein) ein bestimmtes Verhalten zeigt. Im Nachhinein kann man ihm auch noch erklären, dass es Konsequenzen hat, wenn dieses Verhalten auf das Signal hin nicht gezeigt wird.
Daran ist zunächst nichts auszusetzen, denn es kann im Alltag sehr hilfreich sein, wenn ein Hund das ein oder andere Kommando beherrscht.
Das soll zum Thema „Formalismus“ an dieser Stelle reichen - ich denke, dass alle wissen, was gemeint ist.
Nun muss aber auch noch definiert werden, was denn unter einem „echten Gespräch“ zu verstehen ist, denn diese Begrifflichkeit unterliegt sicher keiner objektiven oder gar wissenschaftlichen Definition. Ich wage trotzdem den Versuch einer persönlichen Definition, versuche also folgend zu erklären, was ich subjektiv unter „echten Gesprächen“ mit Hunden verstehe:
Ein echtes Gespräch beinhaltet für mich, dass sich beide Gesprächspartner einander zuwenden und sich gegenseitig Aufmerksamkeit schenken. Im Idealfall dauert diese gegenseitige Aufmerksamkeit so lange an, bis das Gespräch beendet ist.
Echte Gespräche beinhalten also eine Zeitkomponente, die Hunden eine hohe Konzentrationsleistung abverlangt - sie müssen ihre Umwelt für einen Moment mehr oder weniger ausblenden und sich für eine bestimmte Zeit ganz ihrem Gesprächspartner widmen.
Woran erkennt man aber nun, dass ein Hund „zuhört“?
Nun, man kann das an einigen Ausdrucksmerkmalen festmachen, aber sehr sicher sein kann man sich, wenn man vom Hund angeschaut wird - und da beginnt die Challenge.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Definition von „Zuhören“ liegt darin, dass „Anschauen“ nicht gleich „Anschauen“ ist. Vielen von Euch ist sicher das Kommando „Schau“ bekannt, das über ein Leckerchen konditioniert wird, was z.B. an die Stirn gehalten und dem Hund gegeben wird, wenn er schaut - oder auch darüber, dass ein Leckerchen in der Faust gehalten wird, was dann gegeben wird, wenn der Hund den Menschen anschaut. Das Ergebnis ist ein den Menschen leer anstarrender Hund - immer noch besser, als dass er sich seinem Menschen gar nicht zuwenden kann, aber eher ein Trick, der kein „echtes“ Zuhören erzeugt.
Wie man nun einen Hund in ein echtes Gespräch holen, ihn zum Zuhören bewegen und in Folge auch sein Verhalten in bestimmten (Konflikt)situationen zu seinen (des Menschen) Gunsten beeinflussen kann, ist so individuell, dass ich das hier gerne außen vor lassen würde.
Aber wäre es nicht wundervoll, wenn die Mensch-Hund-Beziehung das hergeben würde? Wäre es nicht unglaublich hilfreich, seinen Hund zu jeder Zeit zum Zuhören motivieren zu können, so dass er die Umwelt Umwelt sein lässt und offen für weitere Kommunikation ist?
Diese Traumvorstellung des „echten Gesprächs“ muss für die meisten Mensch-Hund-Teams keine Traumvorstellung bleiben, sondern ist mit relativ einfachen Mitteln und dem richtigen Mindset realisierbar. Und würde es vor diesem Hintergrund nicht viel mehr Sinn machen, Hunden zuerst zu vermitteln, dass man als Mensch hier und da auf echte Gespräche besteht? Würde es nicht viel mehr Sinn machen, zu etablieren, dass es einem sehr wichtig ist, dass der Hund grundsätzlich zuhören kann?
Vielleicht ist es ja ein Denkanstoß, zu hinterfragen, warum Hunden fast immer zuerst formalistische Kunststückchen beigebracht werden, die dann sehr oft in höherer Reizlage nicht mehr abgefragt werden können, weil der Hund nicht gelernt hat, dass seinem Menschen das Zuhören besonders wichtig ist…
Fazit:
Formalismus ist hilfreich, weil darüber kommuniziert werden kann, was man gerade vom Hund möchte.
Er stößt aber an seine Grenzen, wenn Kommandos den Hund nicht mehr erreichen, weil er nicht gelernt hat zuzuhören.
Grundsätzlich ist es möglich, mit einem zuhörenden Hund eine gute Beziehung zu leben, auch wenn keine Ansprüche an Formalismus gestellt werden - umgekehrt aber wird es immer zumindest temporär schwierig sein.
Der Idealfall wäre eine Schnittmenge aus Formalismus und der Möglichkeit des echten Gesprächs… also ein zuhörender Hund, dem man unter anderem über Formalismus seine Wünsche mitteilen kann.
(c) Lennart Peters @ Canis beatus - Der Blog.