
25/02/2025
👍😊…… wieder einmal sehr gut von der Kollegin erklärt 👍
LOCKEN, BELOHNEN, BESTECHEN
Wie entsteht Verhalten?
Verhalten entsteht nicht einfach so, es hat immer einen Grund, es liegt immer eine Motivation zugrunde. Natürlich hat Verhalten auch genetische Komponenten, wie z.B. Jagdverhalten, Hüteverhalten… Aber Genetik ist nicht alles, sondern nur EIN Bestandteil, aus dem heraus Verhalten sich entwickelt.
Ein ganz gewichtiger anderer Bestandteil sind die Konsequenzen, die auf ein Verhalten folgen. Belohnung lässt Verhalten häufiger auftreten, Strafe macht Verhalten seltener.
D.h. Verhalten muss sich lohnen und zu lustvollem, freiwilligem Tun kommt man über das Inaussichtstellen einer angenehmen Konsequenz. Und in diesem Zusammenhang tauchen dann verschiedene Begriffe immer wieder auf, deren Benennung schon eine Wertigkeit suggeriert, die objektiv betrachtet so aber nicht da ist:
Locken, Belohnen, Bestechen
Einen weiteren Begriff würde ich noch hinzufügen: das Ablenken.
Fangen wir hiermit mal an: Wenn ich meinen Hund mit einer gefüllten Leckerchenhand an einem anderen Hund vorbeilocke, sodass er diesen praktisch gar nicht mehr wahrnimmt und brav mit mir läuft, lenke ich ab. Oder wenn ich beim Tierarzt just in dem Moment die Leberwursttube ins Mäulchen stopfe, wenn die Spritze die Haut der Flanke durchbohrt. Das hat durchaus seine Berechtigung und kann auch praktisch sein. Denn zumindest wird der Hund im ersten Fall kein unerwünschtes Verhalten wie Pöbeln oder Leinezerren zeigen und eventuell festigen und im zweiten Fall färbe ich vor allem die Gefühle beim Tierarzt schön, überdecke mit dem leckeren Futter den Schmerz und verhindere somit evtl., dass sich eine Angst vor der Tierarztsituation entwickelt.
Dann das Locken:
Locken bedeutet, dem Hund ein Objekt der Begierde (meist Futter) so vor die Schnauze oder ins Sichtfeld zu halten, dass er diesem folgt und sich an einen bestimmten Platz oder in eine bestimmte Position begibt. Ist der Hund dort angelangt, wo man ihn haben möchte, bekommt er das Futter. Das ist eine sehr gute Sache, um einem Hund schnell klarzumachen, was man gerade von ihm möchte. So hält man dem Welpen ein Leckerchen über die Nase, damit er den Po auf den Boden senkt, um die Nase noch höher ans Leckerchen zu bekommen und schon habe ich ein „Sitz“ geformt, ohne irgendwie unangenehm auf den Hund einzuwirken. Im Gegensatz zum Shaping, bei dem man zufällig angebotene Verhaltensweisen verstärkt, kann man beim Locken ziemlich fehlerfrei und damit auch frustarm für den Hund arbeiten. Wichtig ist allerdings, das Locken so bald wie möglich abzubauen, indem man eine Verknüpfung des Verhaltens mit Signalwörtern oder auch Handzeichen einführt, das Lockobjekt dann weglässt und nur noch belohnt, wenn der Hund das Endverhalten zeigt.
Denn nur so kommen wir zur „Signalkontrolle“, d.h. dass unser Hund auf unser gewähltes Signal ein Verhalten zeigt, weil er weiß, dass sich dieses in der Regel für ihn lohnt.
Belohnung
Damit sind wir auch beim Begriff „Belohnung“ angekommen. Belohnen kann man nach dem Premack-Prinzip mit allem, was der Hund lieber mag als das gezeigte Verhalten. Oft nutzen wir Futterbelohnung, aber natürlich sind noch viele andere Belohnungsvarianten denkbar wie Spielen, zusammen Rennen, ins Wasser springen dürfen, Schnüffeln dürfen, soziales Lob oder auch Streicheln…… was man wann am besten einsetzt, ist individuell vom Hund und auch situationsabhängig.
Belohnung eines Verhaltens muss schnell gehen. 0,5 – 1 Sekunde nach dem gezeigten Verhalten ist optimal, um im Gehirn eine Verknüpfung der Belohnung mit dem gezeigten Verhalten herzustellen und somit die Auftretenswahrscheinlichkeit auch tatsächlich zu erhöhen. Hier kann man sich auch mit einem Markersignal wie z.B. dem Clicker behelfen, der für den Hund das zuverlässige Versprechen auf eine nachfolgende Belohnung wird und so schon zur Dopaminausschüttung nach dem Verhalten führt, auch wenn z.B. das Leckerchen noch etwas auf sich warten lässt.
Im Training ohne Belohnungen, ohne Verstärkung arbeiten zu wollen, ist sehr unklug, weil man schlicht Lerngesetze missachtet – Verhalten wird halt am einfachsten und angenehmsten dann häufiger gezeigt, wenn man es verstärkt, wenn es sich für den Hund lohnt, sprich belohnt wird. Thorndike und Skinner sind die Vorreiter dieses Bereichs der Lerntheorie, der instrumentellen und/oder operanten Konditionierung. Natürlich geht manches auch über Strafe, manchmal kommt man um sie auch gar nicht herum. Doch der größte Teil unserer Ausbildungs- und Erziehungsarbeit sollte über Belohnung stattfinden, weil dies gute Gefühle schafft und so auch Bindung und Vertrauen fördert und stärkt.
Aber zurück zur (Futter)belohnung: Sinnvoll ist es, wirklich erst dann in die Futtertasche zu greifen, wenn der Hund nach dem Signal das Verhalten zeigt. Greift man vorher in den Futterbeutel oder raschelt mit der Tüte, müsste man das noch als Locken bezeichnen, weil der Hund ja sieht/hört/riecht, was ihm da in Aussicht gestellt wird. So wird der Hund langfristig eben auch nicht ohne dieses Inaussichtstellen das Verhalten zeigen, sprich wir machen uns sehr abhängig von Leckerchen. Es kann bei gehobenem Trainingsanspruch auch Sinn machen, eine Futterbelohnung bei sich zu haben, die der Hund nicht mehr riechen kann. Denn auch Geruch kann locken. Also z.B. vakuumverpackte Futterstängelchen, die man nach Zeigen des gewünschten Verhaltens schnell auspackt und als Belohnung verfüttern kann.
Und was ist „Bestechung“?
Bestechung ist in der menschlichen Rechtsdefinition das strafbare Inaussichtstellen eines Vorteils für eine Handlung, die beispielsweise ein Amtsträger vollzieht, welche aber oft eine Pflichtverletzung darstellt. Ohne die Vorteilsgewährung, die Bestechung, hätte der Amtsträger die Handlung im Regelfall nicht ausgeführt. Sie führt somit zur Korruption.
Diese Definition zeigt schon, dass wir bei unseren Hunden nicht von Bestechung reden können. Hunde kann man nicht dazu bringen, etwas „Unrechtes“ zu tun, denn sie haben zumindest nicht UNSERE Vorstellungen einer Moral. Kein Hund bricht absichtlich und bewusst irgendwelche Regeln, beißt den Nachbarn, weil man ihm dafür ein Leckerchen in Aussicht stellt, macht sich schuldig im moralischen Sinne.
Man meint mit Bestechung beim Hund wohl meist das Inaussichtstellen einer Belohnung, ohne welche der Hund die Handlung nicht oder eher unwahrscheinlich zeigen würde. Im Grunde also nichts anderes als Locken, nur wird das Futter vielleicht nicht so direkt vor die Nase gehalten. Der Hund reagiert also nicht auf ein Signal, das ich ihm gebe, sondern auf das Leckerli, das man zeigt, damit der Hund beispielsweise ins Auto springt, oder die raschelnde Futtertüte, die man zückt, DAMIT der Hund zurückkommt. Arbeitet man immer über „Bestechung“, d.h. Locken, ohne darauf hinzuzielen, diese mit der Zeit abzubauen, läuft man natürlich Gefahr, dass der Hund mit der Zeit ohne in Aussicht gestelltes Futter gar nicht mehr mitmacht.
Diese Art der Motivation aber mit einem so negativ belegten Begriff wie Bestechung zu belegen, ist sicher nicht gerechtfertigt.
Gibt es auch ein Verhalten ohne externe Verstärkung, rein aus intrinsischen Gründen, intrinsischer Motivation?
Ja, auch das gibt es beim Hund, wobei die Grenzen schwammig sind. Viele Hunde tun bestimmte Dinge sehr gern, sei es Suchen, Agility, Tricks vorführen oder was auch immer dem Hund in den Genen liegt. Hier braucht man, wenn der Hund das Zielverhalten erlernt hat, oft kaum mehr zu belohnen, um das Verhalten aufrechtzuerhalten, denn das Verhalten an sich stellt für den Hund eine Belohnung dar. Zum Beibringen des korrekten und erwünschten Verhaltens ist jedoch auch hier zumeist erst Locken und später Belohnen erforderlich, denn diese Verhaltensweisen können ja oft in mannigfaltiger Weise ausgeführt werden, die dem Hund ALLE Lustgewinn bringen, wir Menschen möchten sie aber zumeist in einer ganz bestimmten Form gezeigt bekommen. Und auch wenn der Hund das Verhalten schon sehr perfekt zeigt und keine (Futter)belohnung mehr bekommen muss, um es weiterhin so akkurat zu zeigen, eben WEIL es ihm selbst auch unheimlich Spaß macht, belohnen wir ja zumeist trotzdem mit unserer (verbalen) Anerkennung, unserer offen gezeigten Freude über das Geleistete, was unser sensibler Sozialpartner Hund selbstverständlich sehr gut wahrnimmt, ihn freut und damit ebenfalls zu Belohnung des Verhaltens beiträgt. Auf intrinsische Motivation beim Hund zurückzugreifen, wo immer es geht, ist definitiv eine gute Idee. Allerdings dürfte das wie beschrieben eben nur bei Verhaltensweisen klappen, die dem jeweiligen Hund regelrecht „im Blut“ liegen.
© Angelika Prinz; Rundumhund-Ostalb
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