01/07/2020
Ein erschreckendes und trauriges Fazit.
Wird sich etwas ändern - vermutlich nicht. Wir geben jedenfalls jeden Tag unser Bestes, gegen Vorurteile anzukämpfen!
20 JAHRE RASSELISTE IN DEUTSCHLAND
Vor 20 Jahren, am 26. Juni 2000, wurde der damals sechsjährige Volkan auf dem Gelände der Schule in der Buddestraße in Hamburg-Wilhelmsburg von dem Staffordshire „Gipsy“ und dem Pitbull „Zeus“ angegriffen und so schwer verletzt, dass er wenig später im Krankenhaus starb. Als Polizisten die Hunde schließlich mit mehreren Schüssen stoppen konnten, war es für den kleinen Jungen eigentlich schon zu spät. Dieser "Anlassfall" hatte große Auswirkungen.
HAMBURG MACHT JAGD AUF "KAMPFHUNDE"
Obwohl der Fall eigentlich auf ein Versagen der Behörden zurückgeht, die Hunde waren bereits auffällig, das Amt hätte sie aus dem Verkehr ziehen müssen, war das der Startschuss für eine beispiellose Hetzjagd auf bestimmte Hunderassen und deren Hundehalter.
WOBEI - EIGENTLICH BEGANN ALLES SCHON ETWAS FRÜHER:
Schon 1999 hatten die deutschen Sozialisten im Team mit den Grünen in Hamburg gefordert eine Definition über "gefährliche Hunde" in der "Hamburger Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden und über das Halten von Hunden" (Hundeverordnung) zu überprüfen. Die CDU blieb vernünftig, sie stimmte dagegen.
Im Jahr 2000 gerät dann explizit der Pitbull ins Visier der Stadtpolitik. Der Tierheim-Chef Wolfgang Poggendorf und der Hamburger CDU-Abgeordnete Michael Fuchs stellen gemeinsam ein "5-Punkte-Programm gegen die Pitbull-Plage" vor. Darin inkludiert ist ein Importverbot, die Auflage zur Kastration, Chippflicht und bei kleinstem Vergehen, Maulkorb und Leine, lebenslang.
Kurzfristig gewinnt die Vernunft Oberhand, nur auffällig gewordene Hunde müssen einen Hundeführschein absolvieren. Wolfgang Poggendorf opponiert heftig dagegen, er will Rasselisten.
Im April 2000 springt die BILD auf das Thema auf. Eine bisher beispiellose, mediale Hetzkampagne gegen "Kampfhunde" beginnt. BILD startet mit der Titel-Schlagzeile "Kampfhund-Terror / Stoppt endlich diese Bestien!" eine Kampagne für das Verbot der "15 gefährlichsten Hunderassen" und sammelt trotz eines einmonatigen, medialen Trommelfeuers, nur 240.000 Unterschriften.
Die Deutschen Bürger bleiben vernünftig, die Politik nicht, sie beugt sich den Medien, der Weg zur Rasseliste ist frei. Angedacht werden Hundeführschein, Halterüberprüfung und höhere Steuern für "Kampfhunde".
HUNDE BESTIMMTER RASSEN WERDEN UNVERMITTELBAR
Die mediale Hetze, die daraus resultierende soziale Ächtung und die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Gesetzgebung machen sich bemerkbar. Die Tierheime sind mit diesen Rassen überfüllt. Vor allem Pitbulls bevölkern die Heime und keiner will sie mehr haben.
DIE TÖTUNGEN BEGINNEN
Immer mehr sogenannte Kampfhunde, die kaum vermittelbar sind, werden eingeschläfert. Nach dem Tod des kleinen türkischen Jungen werden Pit-Bull, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier quasi verboten. Sie gelten als unwiderlegbar gefährlich. Wer einen "gefährlichen Hund" im Sinne der VO hat, muss an seiner Wohnungstür ein "Warnschild mit der deutlich lesbaren Aufschrift ‘Vorsicht, gefährlicher Hund!’" anbringen. Dass viele Hundehalter damals vor der Wahl, den Hund abzugeben oder die Wohnung zu verlieren, standen sollte keine Überraschung sein. Die Steuer wurde rückwirkend auf 1.200 DM gesetzt.
1000ende Hunde sterben, Hamburg-Harland ist zu einem Synonym für die planmäßige Tötung von Hunden geworden.
SPD-Fraktionschef Holger Christier will Hamburg in 5 Monaten "kampfhundefrei" machen. Das Tierleid sei bedauerlich, der Schutz der Gesellschaft gehe vor.
Das damals verursachte Leid der Hunde und Halter würde Bücher füllen, es gibt sehr viele traurige und tragische Geschichten aus dieser Zeit.
WAS HABEN DEUTSCHLAND DIE RASSELISTEN GEBRACHT
Außer einem sehr dunklen Kapitel in der Geschichte des Landes - Nichts.
Weder sind die verfolgten Rassen völlig verschwunden, noch sind die Hundebissstatistiken besser geworden, eher im Gegenteil. Deutschland hatte nie ein Problem mit "Kampfhunden", das Problem lag und liegt immer am oberen Ende der Leine. Man hat bestimmte Rassen in die Illegalität gedrängt und damit das Problem verschärft, statt es einer Lösung zuzuführen.
Illegale Hundekämpfe hätte man anders abstellen können aber auch sie existieren auf deutschem Boden immer noch.
Hamburg wird für alle Ewigkeit mit dem Schandmal leben müssen, dass man 55 Jahre nach Beendigung des Holocaust eine Art "Hunde-KZ" geschaffen hat, das planmäßig, aufgrund von Rasse selektiert, Hunde getötet hat. Das macht historisch keinen schlanken Fuß.
Etwa 30.000 Mal pro Jahr wird ein Deutscher von einem Hund gebissen, das schätzen jedenfalls Experten. Laut Statistik sind davon 3,6 Bisse mit Todesfolge. Laut Medienarchiv starben im Jahr 2000 in Deutschland zwei weitere Menschen an einem Hundebiss. Eine Rentnerin in Gladbeck aufgrund einer Rottweiler Attacke und ein 24-jähriger Mann in Untergruppenbach am Biss eines Labradors. Keiner der beiden Fälle hatte nur annähernd die mediale Aufmerksamkeit und politische Aufmerksamkeit, wie der Fall von Volkan in Hamburg.
WARUM HÄLT MAN AN ETWAS FEST; DAS NICHT FUNKTIONIERT?
Vermutlich weil es für die Behörden ein Gesichtsverlust wäre, ihr Allheilmittel gegen Hundebisse, die Rasseliste, als das darzustellen was sie ist: eine unüberlegte Anlassgesetzgebung die populistisch funktioniert aber real versagt.
Bisher waren nur 3 deutsche Bundesländer mutig genug diesen Fehler zu revidieren. Es steht 9:5:3, 9x Rasseliste 5x Rasseliste abgestuft versus 3x vernünftige Hundegesetzgebung. Thüringen, Schleswig Holstein und Niedersachsen setzen auf Vernunft, bisher durchaus erfolgreich. (*)
ABER RASSELISTEN SCHÜTZEN DOCH AUCH DIE HUNDE?
Die Hunde Hamburgs haben sie nicht "geschützt", sondern getötet. "Rassismus" schützt nie, "Rassismus" verursacht nur Diskriminierung, Stigmatisierung, Ausgrenzung, Leid und Tod. Das ist eine kollektive Erfahrung, die der Mensch in den letzten Generationen gemacht haben sollte.
Man kann verantwortungslose Hundehalter durch Rasselisten nicht davon abhalten eine bestimmte Art Hund zu führen. Das zeigt die Erfahrung der letzten 20 Jahre recht eindrücklich. Was man allerdings kann, stigmatisierte Rassen kaputt machen, denn heute kommen die gelisteten Hunde selten von Züchtern, Vermehrer haben die Lücke schnell gefüllt und verkaufen alles was gewünscht wird, egal ob erlaubt oder verboten.
WER SICH AM WORT "RASSISMUS" STÖSST
Bei Hunden ist der Begriff zutreffender als beim Menschen. Bei Hunden gibt es unterschiedliche Rassen, die der Mensch für unterschiedliche Verwendungszwecke gezüchtet hat. Beim Mensch gibt es das nicht - das Konzept "Rasse" und damit der Rassebegriff, wurde beim Menschen schon seit etwa zwei Generationen abgeschafft.
Text: DOGnews - Die Seite
Bild: Pexels
ANMERKUNG
Bayern hatte bereits 1992 eine erste rassespezifische Hundeverordnung. Diese teilt einige Hunderassen in 2 Kategorien. Kategorie 1 "Hunde, bei denen auf Grund rassespezifischer Merkmale, Zucht oder Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist“. (Pitbull, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Tosa Inu und Staffordshire Bullterrier).
(*) Deutschland besteht aus 16 Ländern, den Stadtstaaten Berlin und Hamburg, sowie der freien Hansestadt Bremen.