26/11/2023
Sehr schöne und kritische Worte über unseren Sport!
Diese Skizze habe ich vor zehn, fünfzehn Jahren für einen Vortrag gezeichnet, die Textzeile einige Jahre später dazu geschrieben. Aus aktuellem Anlass krame ich sie nun noch einmal raus. Denn leider hat sich nichts geändert.
Viele schreien gerade laut auf, zeigen mit dem Finger auf AH und verurteilen – zu Recht – diese Art von Reiterei. Und viele behaupten, früher sei alles besser gewesen. War es das wirklich?
Ich habe im Laufe meiner reiterlichen Laufbahn auch vor 30, 40 und mehr Jahren Dinge rund um die ‚Ausbildung‘ von Pferden gesehen, die nicht schön waren und die ich zutiefst abgelehnt habe. Das war auch der Grund, warum ich irgendwann beschlossen hatte, meine Pferde niemandem (mehr) anzuvertrauen und stattdessen selbst auszubilden. Nicht, weil ich so vermessen war zu glauben, ich sei die beste Reiterin. Da gab und gibt es bessere. Aber ich war vermutlich die beste Reiterin für meine Pferde, denn ich konnte mit ihnen so arbeiten, wie ich es mit mir und meinem Gewissen vereinbaren konnte.
Natürlich habe auch ich Fehler gemacht. Auch ich bin schon mal gegenüber einem Pferd, vor allem in meiner Jugend, ungerecht und unbeherrscht gewesen. Aber ich habe mich danach zumindest geschämt und schlecht gefühlt, denn ich liebte meine Pferde. Genau das fehlt mir bei manchen Profireitern ihren vierbeinigen Schützlingen gegenüber. Nicht, dass es nicht auch viele gute, verantwortungsvolle und tierliebe Profis gibt. Die gibt es zum Glück! Aber ich habe auch einige kennen gelernt, die Pferde offenbar eher hassen als mögen und bei denen ich mich immer gefragt habe, warum sie diesen Berufsweg überhaupt eingeschlagen haben.
Da war der Grand-Prix-Reiter und -Ausbilder, der Pferde, vor allem Hengste, so malträtierte, dass sich manche schließlich unterm Reiter in die Brust bissen oder aus Angst pinkelten, andere griffen diesen ‚Trainer‘ schließlich in der Box an. Später hielt er dann vollmundige Vorträge zum Thema „Harmonie zwischen Reiter und Pferd“ und ließ sich als Experte feiern... Oder der Ausbilder, der fröhlich lachte, wenn sein Pferd unter dem reiterlichen Druck panisch versuchte die Bande hochzuklettern. Oder die Pony-Ausbilderin, die sowohl die Ponies als auch ihr eigenes Großpferd mit Schlaufzügeln, Peitschenhieben und Ritten vor die Wand traktierte, sich aber über eine verbandliche Auszeichnung für ihre Erfolge als Trainerin freuen durfte.
Ich habe Fotos und Filmszenen eines internationalen Grand-Prix-Ausbilders, die schlimmste Tierquälerei unterm Sattel zeigen. Ich konnte sie leider nicht nutzen, da sie Teil eines juristischen Vergleichs zwischen zwei Parteien waren und mir niemand zusichern konnte, dass ich die Fotografin mit einer Veröffentlichung/Anzeige der Angelegenheit nicht in Teufels Küche bringen würde. Aber ich habe zumindest verhindern können, dass dieser Ausbilder auch noch Reitmeister werden wird.
Auch Pferdebesitzer sollten sich fragen, ob ihr Pferd wirklich in düsteren Boxen veralteter Reitanlagen ihr Leben fristen sollen - Hauptsache es regnet Turnierschleifen. Und ob ihr Pferd, das sich widersetzt wirklich erst mal 'da durch' muss.
Ich gebe zu, dass ich aufgrund der vielen unschönen Erfahrungen und Beobachtungen auch erst einmal kurz gelacht habe, als die Bundesvereinigung der Berufsreiter im DRFV e.V. mich gebeten hatte, das aufwändige Bewerbungsschreiben für die Aufnahme des klassischen Deutschen Reitlehre ins Immaterielle Unesco Kulturerbe zu verfassen. "Ausgerechnet Ihr?" Aber Hut ab dafür, tolle Initiative. Deshalb habe ich es natürlich gemacht und zwar aus vollster Überzeugung, denn die klassische Reitlehre ist für mich über jedem Zweifel erhaben. Sie muss nur angewendet werden. Von Reitern, Ausbildern, Verbänden, Stewards und Richtern!
Schluss mit den Lippenbekenntnissen. Schluss mit der gegenseitigen Beweihräucherung. Schluss mit finanziellen Abhängigkeiten. Für unseren Sport ist es fünf vor zwölf – wenn wir ihn denn weiter mit unseren geliebten Pferden betreiben wollen statt mit hölzernen Steckenpferdchen.