22/06/2023
Thema artgerechte Pferdeweide
Es gibt kaum ein umstritteneres Thema, wie das der Pferdeweide bzw. des Weidegangs für Pferde.
Während sich die meisten noch einig sind, das Weidegang für die artgerechte Pferdehaltung unabdingbar ist, gibt es auch Gruppierungen (v.a. Anhänger des Paddock Paradise), die Weidegang für völlig unarterecht halten, da die Gräser nicht dem Bewuchs in der Steppe entsprechen. Hier wird Gras als Gift angesehen und Heu als einzig wahres Grundfutter für Pferde angepriesen. Bewegung wird durch einen Paddock Trail ermöglicht auf dem das Heu möglichst auf dem Boden verteilt wird.
Aber auch Pferde die zu Stoffwechselerkrankungen wie Cushing, EMS oder Hufrehe neigen haben oft keinen oder nur sehr eingeschränkten Weidegang.
Dann gibt es aber auch wieder das genaue Gegenteil: Pferde auf immergrünen Ganzjahresweiden, auch hier im Allgäu. Hier ist das Gras dann oft kaum eine Handbreit hoch (außer vielleicht im Frühling wenn es wächst).
Aber was ist denn nun eine artgerechte Pferdeweide und welche Pferde können und sollten auf die Weide?
Zuallerst ist es wichtig zu verstehen, dass ja auch Heu nichts anderes als geschnittenes Gras ist. Anstatt Heu zu füttern, können Pferde also genauso gut auf einer Wiese grasen, die Heu am Halm bietet (das ist je nach Jahreszeit ab Juni der Fall).
Entscheident für eine artgerechte Weide ist vor allen Dingen die Artenvielfalt: es sollten mehrere Gräserarten und auch Kräuter auf der Wiese wachsen und möglichst wenig oder kein (kaum möglich!) Weidelgras (dieses gilt in den USA übrigens als toxisch). Wir wollen auf unserer Wiese natürlich möglichst Gräserarten mit einem niedrigen Zuckergehalt. Beispiele dafür sind der Fuchsschwanz, Wiesenrispe, Rotschwingel, Lieschgras, Rohrschwingel...
Leider gibt es kaum Saatgutmischungen, die kein Weidelgras enthalten auf dem Markt.
Natürlich sind alle diese Gräser kein Vergleich zu dem, was ursprünglich früher auf unseren Wiesen wuchs bzw. in der Steppe. Allerdings sind Pferde enorm anpassungsfähig und über den gesamten Globus verteilt (und leben eben nicht nur in der Steppe, sondern in ganz unterschiedlichen Habitaten).
Auch wenn unsere Pferdeweide nie den Anspruch an artgerechter Ernährung erfüllen kann wie ein Steppenbewuchs (aber das kann auch unser Heu nicht!), gibt es viele Vorteile von Weidegang für Pferde. Um hier nur ein paar zu nennen:
-psychische Zufriedenheit durchs Grasen
-Stressreduktion durch mehr Platz bei der Futteraufnahme
-physiologisch korrekte Haltung: tiefer Kopf bei langsamer Fortbewegung
-verminderte Staub- und Schimmelbelastung
-mehr Nährstoffe im Gras
-mehr Bewegung
-selektiveres Fressen bei ausreichend Artenvielfalt
-verminderte Futteraufnahme bei ensprechendem Weidemanagement
-natürliche Umgebung
-ökologische Vorteile: Ressourcen (Benzin, Maschinen, Arbeitskraft) werden gespart, wenn die Pferde direkt von der Wiese fressen anstatt Heu gemacht wird
Das A und O ist neben der Gräserzusammensetzung und Artenvielfalt das Weidemanagement und beides bedingt sich natürlich auch gegenseitig.
Die Wissenschaft und auch große Nutztierhalter in den USA sind sich einig, dass die Wechselweidewirtschaft mit kurzzeitiger Überweidung die höchsten Erträge auf Weiden bringen.
Hierfür wird die Weidefläche in mindestens 3-4 kleinere Weiden unterteilt, die rotiert (d.h. nacheinander beweidet werden). Dies führt dazu, dass auch unbeliebte Pflanzen gefressen werden und eine Überweidung immer nur für kurze Zeit stattfindet und sich die Wiese anschließend für mehrere Wochen regenerieren kann. Durch dieses Management kann der Ertrag erheblich gesteigert werden.
Weiterhin sollte die Weide den ersten Aufwuchs bieten und nicht vorher gemäht werden, da der erste Aufwuchs den höchsten Rohfaseranteil aufweist. (je mehr Stängel, desto besser). Idealerweise kann sich die Wiese auch versamen (die Gräser, die wir auf der Pferdeweide wollen vermehren sich über Aussamen).
Eine grüne und blattreiche Pferdewiese ist für Pferde höchstens im natürlichen Wachstumszyklus im Frühjahr sinnvoll, da zu wenig Rohfaser und zu viel Eiweiß, Pektin und Zucker enthalten sind. Dies ist vor allem für die Darmflora nicht unbedingt gesund. Wird solch eine Wiese gefüttert, sollte dem Pferd zum Ausgleich immer Heu zur Verfügung stehen.
Aber es gibt auch "gefährliche" Weiden. Das sind Wiesen, die v.a. aus Weidelgras, Löwenzahn und Klee bestehen und zudem auch noch dauerhaft überweidet, d.h. gestresst sind. Das können auch Wiesen sein, auf denen kaum noch was wächst. Aber die kleinen grünen Triebe sind extrem Zuckerhaltig und enthalten im Fall vom Weidelgras auch noch sogenannte Endotoxine (Pilze, die die Resilienz des Grases erhöhen). Dies ist für den Stoffwechsel des Pferdes auf Dauer sehr schädlich. Deshalb: keine kurzen Weiden, auch wenn kaum noch was drauf wächst! Dann lieber Heu füttern oder durch entsprechendes Weidemanagement eine artgerechte Weide aufbauen.
Wie ist euer Weidemanagement?
Meine Pferde haben im Sommer 24h Wiese und bekommen (fast) kein Heu. Im Hochsommer kommen sie dann auf die Alm, dort wachsen auch viele Sauergräser die wenig Zucker und viel Rohfaser bieten.
Im nächsten Post geht es darum, das viele meinen, dass hohes Gras nur niedergetrampelt und dann nicht mehr gefressen wird.
Für eine Beratung zum Weidemanagement meldet euch gerne bei mir!