05/11/2024
PINKI â EINE GĂNSEHAUTGESCHICHTE â TEIL 1
Nach einem tollen Seminarwochenende sitze ich mit der Seminarleiterin Janine noch einen Moment bei ihr im Wohnzimmer. Janines Haus ist gefĂŒllt mit wunderschönen Kristallen und anderen GegenstĂ€nden, die eine lichtvolle Energie verströmen. Ein absoluter WohlfĂŒhlort. âHier sind noch sehr viele Seelen, die fĂŒr uns alle hierhergekommen sind. Ich werde den Raum jetzt schlieĂen und die Seelen nach Hause schicken.â Janines Stimme reiĂt mich aus meinen Gedanken. Ich weiĂ, dass viele meiner Kolleginnen in der Lage sind, alle Arten von Wesenheiten einfach so mit geschlossenen und auch offenen Augen zu sehen. Mir gelingt das nur auf schamanischen Reisen oder in anderen tranceartigen ZustĂ€nden. Wenn ich ehrlich bin, hĂ€tte ich auch ziemlich Angst davor, immer wahrnehmen zu können, was alles um mich herum ist, obwohl ich es mir manchmal auch wĂŒnsche.
âIst denn noch jemand fĂŒr mich da?â, höre ich mich fragen. Oh man, warum bin ich nur immer so schrecklich neugierig. Janine schlieĂt kurz die Augen und sieht mich dann lĂ€chelnd an. âJa! Da ist jemand fĂŒr dich!â Ich habe ehrlich gesagt keine Idee, wer das sein könnte. Vielleicht meine GroĂeltern? Oder meine Freundin Inge? Oder vielleicht mein Krafttier? Mit einem Engel rechne ich jetzt nicht wirklich. âEin Hundâ, meint Janine immer noch lĂ€chelnd. Ich versuche mir meine EnttĂ€uschung nicht anmerken zu lassen. Ein Hund â so ein Quatsch! Ich hatte mein Leben lang mit Pferden zu tun. Ich hatte noch nie einen Hund, auch nicht als Kind! Sieht wohl leider so aus, als ob Janine doch nicht in der Lage ist, Seelen zu sehen.
Janine redet begeistert weiter: âEs ist eindeutig dein Hund! Wie er dich immer zu ansieht! So viel Liebe!â Plötzlich habe ich TrĂ€nen in den Augen. Es kommt blitzartig eine Erinnerung. âWie sieht er denn aus?â, frage ich, obwohl ich die Antwort lĂ€ngst weiĂ. âEr ist klein und weiĂ, wuscheliges Fell mit dunklen Flecken und er hat dunkle Ohren, entweder dunkelbraun oder schwarz, das kann ich nicht genau erkennen.â Jetzt fangen die TrĂ€nen an zu flieĂen. Das kann doch nicht sein. Das kann doch nicht sein, dass er heute hier ist. Nach ĂŒber 20 Jahren! âDankeâ, sage ich mit erstickter Stimme, âich habe ihn auch nie vergessen. Ich liebe ihn auch immer noch.â
Janine sieht mich etwas bestĂŒrzt an und reicht mir TaschentĂŒcher. âWeiĂt du, warum er hier war?â, frage ich unter TrĂ€nen, die einfach nicht aufhören wollen zu flieĂen. âIch glaube, er wollte dich einfach nur daran erinnern, wie schön es ist, einen Hund zu habenâ, sagt Janine und ich weiĂ, dass sie absolut Recht hat. âHast du ĂŒberlegt, dir einen Hund anzuschaffen?â, fragt sie mich vorsichtig.
âJa, nein, ich ziehe in wenigen Tagen in mein eigenes kleines Haus. Ich packe gerade die letzten Kartons. Und ja, ich habe immer gesagt, wenn ich ein eigenes Haus habe, dann werde ich dort auch ein Tier haben. Entweder einen Hund oder eine Katze.â Vor einigen Wochen hatte ich angefangen, Annoncen von Katzen aus verschiedenen Tierheimen zu lesen. Anscheinend sollte ich doch allen Mut zusammen nehmen, und einen Hund zu mir holen?
âDu kennst den Hund, nicht wahr? Er war so unglaublich in Liebe mit dir verbunden.â Mein Verstand weigert sich immer noch, dass Pinki nach so langer Zeit hier bei Janine im Wohnzimmer aufgetaucht ist. Das kann einfach nicht sein. Aber ich weiĂ, dass es wahr ist. Janine hat ihn eindeutig beschrieben und ich habe gefĂŒhlt, dass es er ist. Wie sehr habe ich den kleinen Kerl geliebt.
Ich war damals 25 und arbeitete ein Jahr in Paraguay als VoluntĂ€rin fĂŒr die SOS Kinderdörfer. Ganz am Ende meines Jahres half ich einer anderen Deutschen in einem lĂ€ndlichen Gebiet Paraguays bei der Arbeit in zwei Kinderdörfern. Vorher hatte ich nahe der Hauptstadt in einer Schule ausgeholfen. Die Beziehung mit meinem damaligen Freund war in die BrĂŒche gegangen und ich freute mich, dass ich an einem anderen Ort meine letzten Wochen in Paraguay verbringen durfte. Ich hatte ganz fĂŒrchterlichen Liebeskummer. Gleich am ersten Abend tauchte ein kleiner weiĂer wuscheliger Hund auf mit schwarzen Flecken und schwarzen Ohren. Er war noch ganz jung, verspielt und etwas wild. Alle fanden ihn schrecklich nervig. Ich war verliebt. Er gehörte einer Mitarbeiterin des Kinderdorfs, die in der NĂ€he wohnte. Wenige Tage spĂ€ter war er bei mir fest eingezogen und begleitete mich auf Schritt und Tritt. Er tat genau das â er zeigte mir, wie schön es ist, einen Hund zu haben.
Bald schlossen sich noch die Collie HĂŒndin der Kinderdorfleiterin und eine weitere kleine HĂŒndin mir an. Ich war bald bekannt als âdie mit den Hundenâ. Es gab im Kinderdorf auch zwei Pferde, zu denen hatte ich seltsamerweise ĂŒberhaupt keinen Draht.
Ich ĂŒberlegte lange, Pinki mit nach Deutschland zu nehmen. Ich wusste nur ĂŒberhaupt nicht, wie ich das machen sollte. Es war das Jahr 2000. Das Internet war gerade erst in der Entstehung. Informationen konnte man nur telefonisch oder vor Ort beziehen. Obwohl es mir fast das Herz brach, lieĂ ich Pinki in Paraguay zurĂŒck. Er hatte ja ein Zuhause. Auch wenn er es meinetwegen sofort aufgegeben hatte. Ich wollte ihm die QuarantĂ€ne ersparen und das Leben in einer Einzimmerwohnung in Hamburg City im Dachgeschoss. Auch wusste ich damals ĂŒberhaupt nicht, wie es mit meinem Leben weitergehen sollte. Mein Lehramtsstudium wollte ich kurz vor dem Ende abbrechen. Nach einem Jahr an einer Schule war ich mir sicher, dass ich aktuell keine Lehrerin sein wollte.
Pinki war kurze Zeit nach meiner Abreise ĂŒberfahren worden und gestorben. Ich hatte mir oft vorgestellt, wie es wĂ€re, mit meinem Hund am Elbstrand im Winter zu laufen und dort irgendwo einen heiĂen Kakao zu trinken. Es war immer eine Wunschvorstellung. Pinki hatte ich fest in meinen Erinnerungen verschlossen. Wenn ich keine Fotos gehabt hĂ€tte, hĂ€tte ich irgendwann diese Erinnerungen angezweifelt.
Die Fotos! Als ich abends nach diesem aufwĂŒhlenden Ende des Seminarwochenendes bei Janine nach Hause komme, suche ich meine Fotobox. Und werde fĂŒndig. Er hatte wirklich schwarze Ohren! Das hĂ€tte ich nicht mehr gewusst. Nur, dass er klein, weiĂ, wuschelig mit schwarzen Flecken war. Und der sĂŒĂeste kleine Hund der Welt. Mein Hund. Mir kommen wieder die TrĂ€nen. Ich bin so gerĂŒhrt, dass ich fĂŒr Pinki anscheinend ebenso wichtig gewesen war, wie er fĂŒr mich! Dass er nach so vielen Jahren noch an meiner Seite ist! Ich hatte wirklich keine AhnungâŠ
Fortsetzung folgt im nÀchsten Beitrag!