11/08/2024
Ich habe rein gar nichts gegen Maulkörbe. Immer unter der Voraussetzung, dass sie gut passen (was leider selten der Fall ist) und ordentlich auftrainiert worden sind.
Und zwar so, dass die Hunde ihn gern anziehen. Sollte in meinen Augen sogar jeder Hund kennenlernen.
Es kann immer mal sein, dass im Urlaub, in Öffis, Seilbahnen, oder auch beim Tierarzt aufgrund starker Schmerzen einer gebraucht wird. Dann ist es immer gut, wenn der Hund damit keinen zusätzlichen Stress hat, weil er es einfach schon kennt.
Gut auftrainiert heißt, der Hund möchte ihn gern anziehen.
Meine Dreiertruppe Maremma-Mix, Dogge-Dobermann-Rotti-Ridge-Mix und Dogge standen immer Schlange, wenn ich einen Mauli rausgeholt habe, weil ihn jede/r als erstes anziehen wollte. Weil wir das einfach als "Trick" immer mal mit eingebaut haben. ❤️
Womit ich aber ein riesen Problem habe, ist der Einsatz als "Freifahrtschein"!
Aktuell habe ich wieder vermehrt Hunde gesehen, die entweder schlechte oder einfach zu wenige Erfahrungen Bsp mit anderen Hunden gemacht haben.
Und der Fokus liegt natürlich auf Resozialisierung.
Da der Mensch aber ja immer alles schnell möchte, wird dem Hund nicht die Zeit gegeben, auf Distanz wieder gute und klare Kommunikation zu lernen und sich langsam näher heranzuarbeiten.
Is ja blöd, kommt er ja gar nicht an den anderen Hund dran.
Nein, natürlich nicht, weil er es einfach (noch) gar nicht schaffen kann.
Hunde können aber wunderbar auf Distanz starten, Kommunikation zu lernen.
Arbeite ich mich nun mit solchen Hunden Schritt für Schritt näher und bin dann so weit, dass ich erste Kontakte zulassen kann, kann es absolut sinnvoll sein, erstmal zur Sicherheit einen Mauli aufzuziehen.
Dennoch gehe ich dabei mit dem Hund nur so weit, wie ich es auch ohne Maulkorb tun würde.
Ich sichere mich lediglich damit ab, weil man nicht immer alles zu 100% vorhersehen kann.
Oft kann dadurch auch der Mensch entspannter bleiben, weil es auch diesem mehr Sicherheit gibt, dass niemandem etwas passieren kann.
Dafür sind Maulis super!
Was ich jedoch immer wieder sehe, sind Einsätze als "Freifahrtschein" : da werden Hunde, die mit diesen Situationen noch hoffnungslos überfordert sind, in Gruppen geschmissen unter dem Vorwand "kann er/sie ja nur durch Kontakt lernen" oder "das machen die schon unter sich".
Da laufen dann Angriffe vom Allerfeinsten - aber "das wird mit der Zeit besser", weil ja nix passieren kann....
Oder von Menschen angefasst, was dieser Mensch bei diesem Hund ohne Mauli nie tun würde, weil er ganz genau weiß, dass das weh tun würde und ziemlich blutig enden könnte.
Und das wird nicht nur von Hundehaltern so praktiziert, sondern auch immer noch von Trainern.
Es wird sogar damit geworben - natürlich in "schön" ausgedrückt. Und wenn der Hund es dann nicht schafft (weil es ihm ja vorher nicht beigebracht wurde), wird er gern auch noch mit allem Möglichen beworfen, bespritzt, gerempelt oder was auch immer.
Da fliegen Gießkannen, Gartenschläuche, Rappeldosen oder was auch immer gerade greifbar ist. So lernt er ja, dass er das nicht soll.
Super - und wer macht sich die Mühe, ihm mal vorher beizubringen was er denn eigentlich soll? Niemand, weils ja dauert und Arbeit bedeutet?
Übersetzt heißt das : wenn ich also dafür sorge, dass kein Blut fließen kann, gibt mir das das Recht, ein Lebewesen hoffnungslos zu überfordern? Weil "kann ja nix passieren" ?
Meist ja sogar gleich mehrere, denn die Hunde oder Menschen, die da angegriffen werden, fühlen sich mit Sicherheit auch nicht wohl.
Ist am Ende der Hund wirklich gut sozialisiert?
Oder ist er eher traumatisiert, hat gelernt, dass er von seinem Menschen keinerlei Unterstützung zu erwarten hat (was ganz sicher nicht die Bindung stärkt), dass er mit Situationen, denen er nicht gewachsen ist, irgendwie allein zurecht kommen muß, weil sein Mensch ihm nicht die Zeit geben wollte, erst zu lernen, wie er mit diesen Situationen umgehen kann? Welche Handlungen und kommunikativen Möglichkeiten er selbst hat, um solche Situationen gelassen zu meistern und eben nicht zu eskalieren?
Ja, vielleicht hört er irgendwann auf anzugreifen, wenn er nur oft genug hoffnungslos überfordert war und Rückzug die einzige Möglichkeit war. Vielleicht. Vielleicht lernt er auch heftigere Angriffe zu starten.
Aber zu welchem Preis???
Dieser Einsatz von Maulis macht mich wirklich wütend! Sollte doch heutzutage wirklich jeder in der Lage sein, sich über Fort- und Weiterbildungen darum zu bemühen, seinem Hund die Chance zu geben, erst zu lernen, was er später können soll.
Dabei ist es auch vollkommen egal, ob es sich um Rottweiler, AmStaff, Pitti, Dackel oder Chihuahua handelt - denn die Rasse (oder besser die Körperkraft) wird auch sehr gern als Grund vorgeschoben, dass das ja was anderes ist und "so ein Hund ja auch mal was ab kann".
Und dann noch der gern genommene Satz "Hunde gehen ja auch nicht zimperlich miteinander um" - doch, das tun sie! Es sei denn, sie werden vom Menschen zu grobem Umgang geschult und immer wieder in für diesen Hund zu schwierige Situationen gebracht, die sie in der aktuellen Situation nicht anders lösen können, weil sie es nie gelernt haben.
Wann hört dieser Wahnsinn endlich auf???