10/02/2024
Wir wollen einen Hund! Auslandstierschutz? Illegaler Welpenhandel? Oder eine Kombination aus beidem?
Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Das kleine Kerlchen auf dem Foto ist Balou. Wir haben ihn am 16. Februar in unserer Praxis vorgestellt bekommen. Da hatte er mittelgradig Durchfall, war aber sonst gut drauf, neugierig und aktiv. Der Giardientest fiel positiv aus, eine entsprechende Behandlung wurde eingeleitet. Zwei Tage später war er wieder da, weil es ihm plötzlich gar nicht mehr gut ging. Genau genommen ging es ihm derartig schlecht, dass wir ihn nach stabilisierender Erstversorgung zur stationären Intensivbehandlung in eine Klinik überwiesen haben. Am 22. Februar war sein kurzes Leben schon wieder vorbei. Er starb als Letzter von vier Geschwistern, die etwas über eine Woche zuvor mit einem größeren Transport aus Rumänien in der Hoffnung auf schöne Forever-Homes nach Deutschland gekommen waren, an der Parvovirose.
Ich höre Sie jetzt buchstäblich alle denken: Ja, typ*sch, so läuft das eben gern mal, wenn man sich einen Welpen aus dem illegalen Hundehandel anschafft! Weit gefehlt: Balou und seine Geschwister wurden von einer nach unseren Recherchen durchaus seriös wirkenden Auslandstierschutz-Organisation nach Deutschland verbracht. Die mehr als unerfreulichen Begleitumstände dieses Falles bringen uns aber zu der Frage, was genau eigentlich der Unterschied zwischen den Methoden im illegalen Hundehandel und dem Vorgehen mancher Auslandstierschutz-Orgas sein soll.
Das ging schon bei Balous Impfpass los. Der sah, mal abgesehen von Details wie einem definitiv zu engen Zeitabstand zwischen zwei Impfungen, eigentlich ganz vernünftig aus. Bis auf die Tatsache, dass weder der Zahnstatus des Welpen noch sein allgemeiner Entwicklungszustand zum eingetragenen Geburtsdatum passen wollten. Wir hegen den Verdacht, dass Balou (und damit natürlich auch seine Geschwister) vorsätzlich 4 Wochen älter gemacht wurden, damit sie früher nach Deutschland importiert werden konnten. Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist so ein Import von Welpen nach den geltenden Regelungen frühestens im Alter von 15 Wochen möglich. Dieses Ältermachen von Tierschutz-Welpen ist uns vor kurzer Zeit verdachtsweise schon einmal untergekommen.
Hat man Zweifel am angegebenen Geburtsdatum, bekommt man zwangsläufig auch Zweifel an dem im Impfpass dokumentierten und sowieso auffällig hastig (zu hastig!) durchgezogenen Impfschema. Wird schon bei einem so entscheidenden Punkt wie dem Geburtsdatum getrickst, wo ist dann noch geschummelt worden?
Bis hierhin reden wir allenfalls von Verdachtsmomenten, von Unstimmigkeiten, von Indizien für Foul Play. Wirklich empörend aber wurde der ganze Fall, als wir von Balous Besitzern anlässlich seines zweiten Besuches bei uns, als es ihm schon so schlecht ging, erfahren haben, dass eines seiner Geschwister ebenfalls schwer erkrankt war und in einer Tierklinik im Rheinland stationär behandelt wurde. Natürlich haben wir sofort bei den dortigen Kolleg:innen angerufen und um Infos zu den dort erhobenen Befunden und eingeleiteten Maßnahmen gebeten. Die Kollegin, die mich nach unserer Anfrage zurückrief, erklärte mir unumwunden, dass ihr von der Vorsitzenden der Tierschutz-Organisation, die Balou und seine Geschwister nach Deutschland verbracht hatte, ausdrücklich untersagt worden sei, irgendwelche Infos zu dem Fall weiterzugeben. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine Organisation, die sich „Tierschutz“ auf die Fahnen geschrieben, diese Welpen nach Deutschland gebracht und an wohlmeinende Familien vermittelt hat, versucht aktiv und vorsätzlich, einen medizinischen Informationsaustausch zwischen zwei tiermedizinischen Einrichtungen zu verhindern, die sich gerade nach Kräften bemühen, das Leben der Kleinen zu retten! Da bleibt einem schon die Spucke weg!
Sie werden sich fragen, was diese „Tierschutz-Organisation“ da überhaupt zu bestimmen hat, nachdem die Welpen ja schon an ihre neuen Besitzer übergeben worden waren. Das Problem dabei sind die heutzutage im Auslandstierschutz üblichen Abgabeverträge, nach denen die jeweiligen Organisationen die eigentlichen Besitzer der Hunde bleiben, die Tiere also den adoptierenden Leuten nur sozusagen „leihweise“ überlassen werden, ein in unseren Augen (auch rechtlich) ziemlich zweifelhaftes Konstrukt. Auf jeden Fall hat in unserem Fall die verantwortliche Organisation ihr Besitzrecht ausgeübt und eben versucht, jeglichen Informationsaustausch zu unterbinden, aus welchen obskuren Gründen auch immer. Unsere Konsequenz: Wir haben den Vorgang im Einverständnis mit Balous trauernden Besitzern und unter Übermittlung aller uns zugänglichen Daten an das Veterinäramt gemeldet.
An diesem Punkt stellt sich dann in unseren Augen die entscheidende Frage: Inwiefern ist man eigentlich als tierschutzbewegter Hundeinteressent, der bei seinen Bemühungen um einen Welpen lobenswerterweise einen großen Bogen um den illegalen Hundehandel machen will, bei einer solchen „Tierschutz-Organisation“ besser aufgehoben als beim schnellen Kauf über Ebay-Kleinanzeigen? Wie verhindert man, dass man an einen solchen Verein gerät, der seuchenhygienisch völlig unsachkundig agiert und der seine eigenen Interessen offenbar weit über die Gesundheit der importierten Tiere stellt? Wie klopft man in einer Zeit, in der man sich im Netz mühelos jedes beliebige Hochglanz-Image (mit massenhaft süßen und/oder mitleiderregenden Welpenfotos) verpassen kann, die reale Vertrauenswürdigkeit einer Tierschutz-Organisation ab? Kurz und bündig: Wir wissen es nicht!
Wir unterstellen ein sehr weit verbreitetes Problem. Es liegen seriöse Schätzungen vor, dass der deutsche Hundebestand im Pandemiejahr 2020 um geschlagene 20 Prozent zugenommen hat. Die deutsche Hundezucht, ob nun vereinsorganisiert oder nicht, kann diese enorm gestiegene Nachfrage nicht mal ansatzweise befriedigen. Wir reden bei 20 Prozent immerhin von über zwei Millionen Hunden! Alle Züchter:innen, mit denen man sich unterhält, berichten von ellenlangen Wartelisten oder sogar von einem Nachfragestop. Eine schnelle Recherche, die wir auf den Websites der Tierheime größerer Städte durchgeführt haben, vermittelte uns den Eindruck, dass auch dort viel, viel weniger Hunde auf eine Vermittlung warten, als es in früheren Jahren üblich war. Man ist versucht, von einem buchstäblich leergefegten Markt zu sprechen.
Die anhaltend hohe Nachfrage nach Welpen kann also eigentlich nur aus dem Ausland befriedigt werden, mithin entweder über den illegalen Hundehandel, über Auslandstierschutz-Organisationen oder über „Vereine“, die ungeniert das eine mit dem anderen kombinieren. Dass man als Hundebesitzer in spe den Welpenhandel und Ebay-Kleinanzeigen meiden sollte wie der Teufel das Weihwasser, müsste sich inzwischen rumgesprochen haben. Möchte man was Gutes tun und einen Hund aus dem Ausland adoptieren, sollte man aber – geht man von dieser Geschichte aus – wohl auch besser so genau wie irgend möglich hinschauen, bevor man seinen durch das Schlüsselwort „Tierschutz“ getriggerten Vertrauensvorschuss an genau die Falschen verteilt und damit voll ins Messer läuft!
Wirklich seriös vorgehende Auslandstierschutz-Organisationen möchten wir (in zugegebenermaßen grenzenlosem Optimismus!) darum bitten, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie sich effektiv und für den „Verbraucher“ transparent vom Pseudotierschutz-Welpenhandel abgrenzen könnten.
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald,
Ihr Ralph Rückert, Ihre Johanne Bernick
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm
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