31/01/2024
Nachdem der Stress zum Jahresende so langsam verfliegt, ist endlich ein wenig Luft hier noch einen kleinen Reisebericht zu posten. Unsere Tierärztin Katharina Venz und Tierarzthelferin Julia Weber waren ja im November in Sierra Leone Straßenhunde kastrieren und medizinisch versorgen und haben Ihre Reiseeindrücke nochmal zusammengefasst. Hier der Reisebericht von Frau Venz:
Urlaub heißt für mich eigentlich immer reisen und die Welt entdecken, aber klassische Strandurlaube oder Städtetrips sind zwar gelegentlich schön, aber eigentlich fehlt mir da dann immer recht schnell der tägliche Kontakt zu Tieren (also meist müssen dann die Hotel- oder Straßenkatzen und Hunde herhalten ;-) ). Daher versuche ich so oft es geht Job und Urlaub zu verknüpfen und habe in der Vergangenheit schon an Kastrationsprojekten in Spanien und Italien teilgenommen und habe meistens den halben Koffer voll mit Medikamenten, die ich lokalen Tierschutzorganisationen spenden kann (natürlich nicht, ohne dort den halben Tag kuschelnd mit den Tieren zu verbringen...für gratis mache ich das nicht! ;-) ).
Durch Zufall bin ich dann über Facebook auf einen Aufruf von der CPI gestoßen. Sie haben relativ spontan für ihr Kastrationsprojekt in Sierra Leone noch erfahrene Tierärzte und tiermedizinische Fachangestellte gesucht. Obwohl ich keine Ahnung hatte, wo Sierra Leone überhaupt liegt, hab ich direkt bei meiner Kollegin Frau Weber angefragt, ob sie nicht spontan auch Lust hätte auf eine kleine Reise und was soll ich sagen, hatte sie!
Also ging es Anfang November mit dem Koffer voll Equipment für Operationen und Wundversorgung auf nach Westafrika. Da wir beide noch nie in Afrika waren, war das ein richtiges Abenteuer! Das Kastrationsprojekt fand mitten in der Hauptstadt Freetown statt, eine wirklich bunte und sehr gegensätzliche Stadt. Hier schlängeln sich staubige Straßen durch Wohnviertel aus Wellblechhütten, Mehrfamilienhäusern und prunkvollen Villen. Es ist wirklich alles bunt gemischt, arm und reich leben dicht an dicht nebeneinander. Unzählige Keke´s (das sind die TukTuks Sierra Leones) und Motorräder knattern durch die Straßen, am Straßenrand sitzen hunderte fliegende Händler. Die meisten Autos ächzen unter ihren unzähligen Fahrgästen und tragen nicht selten noch die Aufdrucke ihres früheren Firmenwagenlebens in Europa. Nach zwei Tagen zum akklimatisieren in denen wir nur kleinere "Hausbesuche" bei Hunden mit Tumoren gemacht haben, sehen wir zum ersten Mal unsere "Klinik". Sie ist im Prinzip ein Hinterhof einer ehemals sehr schönen, aber mittlerweile ziemlich abgewohnten Villa mitten im Stadtzentrum. Pavillions schützen vor der Sonne (die Temperaturen sind immer um die 30Grad), um unsere Operationstische laufen die Hühner herum und suchen nach Essbarem. Zum ersten Mal wird mir so richtig bewusst, worauf wir uns eingelassen haben und ich habe Respekt vor dem Pensum an Kastrationen, das für die nächsten Tage geplant ist. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr, also losgelegt. Die Organisation vor Ort ist wirklich super, wir haben unzählige freiwillige Helfer, die sich um die Aufnahme und Registrierung der Tiere, Assistenz am OP Tisch und Nachsorge der Tiere kümmern. Unser Op Team besteht zudem noch aus dem Tierarzt Hugh aus England und den beiden tiermedizinischen Fachangestellten Angela und Becky aus Amerika und England. Alle drei sind nicht das erste Mal in Sierra Leone und haben auch weltweit an vielen Kastrationsprojekten mitgearbeitet, so dass der Ablauf von Narkoseeinleitung über Op Vorbereitung, Op und schließlich Nachsorge schon perfekt vorgeplant war und wir vom ersten Tag an viele, viele Hunde kastrieren konnten.
Zum Glück im Schatten und mit genügend Pausen zum Durchatmen und trinken. Denn gleich am ersten Tag in Freetown haben wir in einem Hinterhof eine Hündin in einer halbschattigen Ecke kastriert und die Kombi aus Hitze und zu wenig Wasser haben mich direkt aus den Socken gehauen...zum Glück war Tierarzt Hugh schon vor Ort und konnte für mich in der Op einspringen.
Viele Kastrationen am Stück durchzuführen kannte ich ja schon, allerdings bisher nur in klimatisierten Räumen. Draußen, mitten an einer vielbefahrenen Straße mit Randpublikum und unter Einfluss von Sonne und Wind ist das nochmal was ganz anderes. Die Tische sind nicht höhenverstellbar, irgendwann schmerzt der Rücken dauerhaft und wenn der Wind zum 20sten Mal das Op Tuch fast wegweht bringt einen das wirklich an die Belastungsgrenze. Aber am Ende des Tages, wenn man dann die ganzen kastrierten Hündinnen sieht, die nie wieder einen Wurf Welpen mitten im Müll zur Welt bringen müssen, oder wegen ihres großen Gesäuges von den Leuten mit Steinen beworfen werden. Wenn man an all die Welpen denkt die nicht geboren werden und so auch nicht verhungern, an Räude leiden oder überfahren werden, dann weiß man, dass sich das alles doch irgendwie gelohnt hat. Klar gibt es in Freetown noch so, so viele Straßenhunde und im Verhältnis dazu haben wir nur einen ganz, ganz kleinen Teil kastriert. Aber für diesen kleinen Teil der Hunde haben wir die Welt verändert. Diese Hunde können jetzt stressfreier, länger und gesünder leben und das macht am Ende des Tages alle Strapazen vergessen und ziemlich glücklich.
Ich habe übrigens auch noch einiges dazu gelernt, von dog fly strike hatte ich vorher nämlich noch nie was gehört, weil es das bei uns nicht gibt (die Hunde haben ganz krustige Ohren, weil dort Fliegen Blut saugen und teilweise auch ihre Eier legen). Und auch transmissible venereal tumors (sexuell übertragbare Tumoren) gibt es in Deutschland nicht, die sind aber in SL ein riesiges Problem. Also auch in dieser Hinsicht war die Reise ein absoluter Zugewinn. Julia wird später sicherlich noch über ihre Erfahrungen mit Tollwut erzählen...kennt man ja aus Deutschland zum Glück auch nicht mehr.
Ganz zuletzt möchte ich übrigens nochmal ein großes Dankeschön an unsere Chefin richten, die von meiner spontanen Idee auch sofort begeistert war und mich und Julia nicht nur dafür freigestellt hat, sondern auch noch unsere Flüge bezahlt hat. Das war das Beste! :-)
Und an alle die mich schon danach gefragt haben, wir werden definitiv nochmal nach Sierra Leone fliegen und mit Sicherheit auch noch zu anderen Kastrationsprojekten und auch dann wieder viele Medikamente mitnehmen die teilweise von uns privat, aber auch aus unserer Spendenkartei bezahlt werden. Wer also möchte kann dafür jederzeit bei uns in der Praxis spenden...das Geld kommt zu 100% da an wo es gebraucht wird!